Bauern gegen Glyphosat

Neuorientierung in der ackerbaulichen Praxis notwendig

Nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist der Wirkstoff des weltweit meistverkauften Total- bzw. Breitbandherbizids Glyphosat Ausdruck eines Agrarsystems, das immer billiger produzieren will – mit unkalkulierbaren Risiken für Mensch, Tier, Boden und Umwelt. Jan Wittenberg, Ackerbauer aus Mahlerten (Niedersachsen) und Bundesvorstandsmitglied der AbL, nimmt zur bevorstehenden Abstimmung in Brüssel über eine Verlängerung der Nutzung von Glyphosat Stellung: „Dieses meistverteidigte wie meisteingesetzte Total-Herbizid ist überflüssig. Längst haben Ackerbauern herausgefunden, wie man Lebensmittel erzeugen kann, ohne den Ackerboden mit Glyphosat zu behandeln. Mehr Vielfalt in der Fruchtfolge und eine intelligentere Verteilung der Kulturen sollten dazu mit moderner Technik in der mechanischen Bodenbearbeitung verbunden werden. Auch die konservierende Bodenbearbeitung, die nachhaltig das Bodenleben fördert, ist ohne den Einsatz eines Totalherbizides möglich und sinnvoll. Schon lange ist auch klar, dass der Eintrag eines „wahrscheinlich krebserregenden“ Produktes in unser Ökosystem und unsere Nahrungskette nicht verantwortungsvoll sein kann. Die Verteidigung eines gesellschaftlich nicht gewollten, schädlichen Pflanzenschutzmittels aus reiner Gier nach Profit kann von den Bauern nicht mehr mitgetragen werden. Die Lobby der Agrarindustrie sollte aufhören, aktiv Mensch, Tier und Umwelt nachhaltig zu schaden, um kurzfristige Gewinne zu machen. Glyphosat ist out.” Die AbL fordert: 1.) Der Wirkstoff Glyphosat darf nicht wieder zugelassen werden. Mit einer zeitlich begrenzten Übergangsfrist von zwei Jahren erhalten alle Bauern und Bäuerinnen die Möglichkeit, sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen. 2.) Das Ende der Zulassung von Glyphosat darf nicht zum Einsatz bzw. zur Zulassung anderer eventuell noch giftigerer Stoffe führen. Vielmehr muss die grundlegende Zielsetzung eine Neuorientierung in der ackerbaulichen Praxis und der Grünlandbewirtschaftung sein. Bereits die aktuell gültige deutsche Pflanzenschutzgesetzgebung verlangt vor dem Einsatz von Pestiziden zunächst die Ausschöpfung sämtlicher biologischer, mechanischer und kulturtechnischen Möglichkeiten, mindestens das sollte Leitlinie des Handelns sein. 3.) Unabhängig von der Debatte um Glyphosat ist die EU-Risikobewertung von Pestiziden grundsätzlich und grundlegend zu reformieren. Transparenz und Studien von unabhängigen wissenschaftlichen Instituten müssen dafür die Grundlage sein. 4.) Inhalt von Forschung, Beratung sowie Aus- und Weiterbildung in der Landwirtschaft müssen Formen des Ackerbaus ohne Totalherbizide sein. Vielmehr sollten nicht-chemische Verfahren des Pflanzenschutzes in den Mittelpunkt gestellt werden. Hinweis: Jan Wittenberg und anderen Bauern kommen in einem Video zum Thema zu Wort: www.youtube.com/watch?v=dGIXMMagP3g Kommentar Jan Wittenberg in der taz. die tageszeitung vom 24. 10. 2017, meinung + diskussion. S. 12 Alle Ackerbauern wissen schon längst, wie sie gut ohne Glyphosat auskommen, sagt Jan Wittenberg Am Mittwoch stimmen die Mitgliedstaaten der EU in Brüssel darüber ab, ob das weltweit meistverkaufte Totalherbizid Glyphosat bei uns für weitere zehn Jahre zugelassen wird. Ich hoffe, es kommt keine Mehrheit dafür zustande. Dieses Mittel wird zwar mittlerweile großflächig eingesetzt. Es ist eben verlockend einfach, auf den Äckern vor der Aussaat alle ungebetenen Kräuter und Gräser abzutöten. Aber eine gute fachliche Praxis ist das nicht, ganz unabhängig von den viel diskutierten Risiken für die menschliche Gesundheit, den Boden und die Artenvielfalt. Dieses Mittel ist überflüssig. Wir Ackerbauern wissen längst, wie wir Lebensmittel ohne Glyphosat erzeugen können. Das sage ich nicht nur als Biobauer, sondern als jemand, der seit Jahrzehnten intensiv mit konventionell wirtschaftenden Kollegen zusammenarbeitet. Wir brauchen an erster Stelle eine größere Vielfalt in der Fruchtfolge. Nur noch zwei oder drei verschiedene Kulturen nacheinander anzubauen ist zu wenig. Das schafft uns auf Dauer einen Haufen Probleme wie zum Beispiel die zunehmenden Resistenzen beim Ackerfuchsschwanz in Norddeutschland. Wir brauchen auch mehr Wechsel zwischen Sommer- und Winterkulturen und nicht zuletzt eine moderne Technik in der mechanischen Bodenbearbeitung. Die Technik ist entwickelt, sie muss nun eingesetzt werden. So ist auch die pfluglose, sogenannte konservierende Bodenbearbeitung, die nachhaltig das Boden­leben fördert, ohne Totalherbizide möglich und sinnvoll. Dass die Hersteller dieses gesellschaftlich nicht gewollten, schädlichen Pflanzenschutzmittels für ihren Profit und damit für eine weitere Zulassung kämpfen, ist verständlich. Aber das kann nicht Richtschnur für eine verantwortungsvolle Politik sein. Kanzlerin Merkel und Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt können mit einem Nein am Mittwoch die Umsetzung praxisreifer Innovationen im besten Sinne fördern. Mit der vorgesehenen Übergangszeit von knapp zwei Jahren kommen die Bauern und Bäuerinnen klar. Glyphosat ist out. Jan Wittenberg ist Ackerbauer in Niedersachsen. Er vertritt als Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Bio- ebenso wie konventionelle Landwirte.
23.10.2017
Von: Pressemeldung