Kommentar: Jetzt nicht zurückfallen

Für die Landwirtschaft war es richtig, Jamaika zu versuchen. Mit dem Ende des Ringens um den Zwischenstand „Sondierung“ droht nun eine längere Phase des Verharrens in alten festgefahrenen Positionen. Das Mutige und Ermutigende war gerade, dass Agrarpolitikerinnen und Agrarpolitiker von CDU, CSU, FDP und Grünen sich lösungsorientiert streiten mussten. Einigungswillen vorausgesetzt, mussten sie versuchen, die wirtschaftlichen Interessen der Betriebe und der weiteren Branche mit den anderen gesellschaftlichen Interessen wie Umwelt-, Tierschutz und ländliche Lebensqualität in eine fruchtbare Übereinstimmung zu bringen. Für die AbL gehört es zur Grundüberzeugung, dass diese verschiedenen Interessen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern bedingen und befruchten. Das im Konkreten auszuloten ist nicht einfach. Es gibt kein Patenzrezept für die sehr unterschiedlichen Situationen auf den Betrieben und Standorten. Aber das bisherige Gegeneinander hat für die Mehrzahl der Betriebe eben keine wirtschaftlich tragfähige Perspektive aufgezeigt; wir haben in den letzten 20 Jahren 80 Prozent der Schweinehalter verloren. Und Umwelt- und Tierschutz kommen auch nicht weiter, solange Pauschalurteile und der naive Ruf nach ordnungsrechtlichem Erschlagen der Probleme die Debattenbeiträge dominieren. Im Bereich der Tierhaltung waren die Sondierer auf einem guten Weg. Ein Tierwohllabel und eine Haltungskennzeichnung sollten eine Marktdifferenzierung vorantreiben und dabei Transparenz für Verbraucher und Wahlmöglichkeiten für Bauern schaffen. Zusätzliche Gelder sollten eingesetzt werden, um Betriebe bei der Umstellung auf tiergerechte Haltungsverfahren zu unterstützen. 900 Millionen Euro für vier Jahre sind ein Anfang, zudem sollten die Direktzahlungen – irgendwann – stärker an die Tierhalter gehen. Das Ordnungsrecht sollte ebenfalls angepasst werden, und alles in einem breiten Konsens und ambitionierten Tierschutzplan gebündelt werden. Fördern und Fordern mit Strategie, nicht schlecht! Es ist zu hoffen, dass der Bundestag und die neue Regierung, wie auch immer sie aussehen, nicht wieder hinter das Erreichte zurückfallen. Zur EU-Agrarpolitik haben die Berliner Runden nur wenig Konkretes erreicht. So kommt es nun wieder auf Brüssel an, hier für Dynamik zu sorgen. Die EU-Kommission wird am 29. November ihre ersten Ideen für eine neuerliche Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) öffentlich vorstellen. Der Entwurf der Mitteilung lässt aufhorchen. Beide Säulen, auch die Direktzahlungen, sollen mehr leisten, um ambitioniertere Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes umzusetzen. Nicht mehr Brüssel, sondern die Mitgliedstaaten sollen einen konkreten Mix aus verpflichtenden und freiwilligen Maßnahmen festlegen, mit denen messbare Ziele und Indikatoren erreicht werden sollen. Die Kommission will sich stärker auf die Ziele konzentrieren, anhand von Ergebnissen kontrollieren und sich nicht mehr im Klein-Klein von Förderdetails verlieren. Das ist ihre Antwort auf den Ruf nach Bürokratieabbau. Mit den geplanten neuen Einstiegsprogrammen wird es möglich, dass Deutschland das von der AbL vorgeschlagene Punktesystem zur Honorierung allgemeiner gesellschaftlicher Leistungen einführt. Ein Selbstläufer ist das alles aber nicht. In der Mitteilung wimmelt es von Hoheliedern auf Präzisionslandwirtschaft, Big data und Umstrukturierung der Betriebe. Ziele vorzugeben, ist noch keine Gewähr dafür, dass es die richtigen Ziele sind. Wer gedacht hätte, der marktliberale Agrarkommissar Hogan aus Irland würde die bestehenden Instrumente zur Staffelung der Direktzahlungen schleifen, hat sich geirrt. Er spricht davon, eine verpflichtende Kappung und eine größenabhängige Kürzung einzuführen und den Aufschlag auf die ersten Hektare zu erhöhen, „um kleinere und mittlere Betriebe gezielter zu unterstützen“. Existenzgründer sollen ebenfalls stärker und einfacher gefördert werden. Wir AbL’erinnen und AbL’er sind gefordert, uns weiter in die laufenden Prozesse einzumischen. Auf der AbL-Mitgliederversammlung werden wir diese Baustellen intensiv diskutieren. Der Einsatz lohnt sich.
29.11.2017
Von: Ulrich Jasper, AbL-Geschäftsführer

Ulrich Jasper, AbL-Geschäftsführer