Kommentar: Bewegung

20. Januar 2018. 30.000 Menschen bewegen sich und demonstrieren in Berlin, darunter auffällig viele junge Menschen und Junggebliebene, die mit viel Phantasie deutlich machen: Essen ist politisch und wir bieten der Agrarindustrie die Stirn. Vorneweg sehr viele Bäuerinnen und Bauern auf ihren Treckern, mit Bannern und selbstgemalten Schildern, darauf selbstbewusste Forderungen für einen guten Umgang mit den Nutztieren, für die Artenvielfalt, für das Bündnis mit der Gesellschaft und mit den Kleinbauern in aller Welt, gegen das Höfesterben. Konventionell und biologisch wirtschaftende Bäuerinnen und Bauern erhalten bei ihren Reden auf den Kundgebungen großen Beifall, werden sogar umjubelt. Einigen Berufskollegen stehen bei dieser Wertschätzung die Tränen in den Augen. Kein Zweifel, darin liegt seit Jahren die große Kraft dieser Bewegung: Bauern und Zivilgesellschaft ziehen in wichtigen Fragen an einem Strang für eine Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft, statt sich auseinanderdividieren zu lassen, wie sich das interessierte Kreise so sehr wünschen. Noch haben dies nicht alle in der Bewegung verstanden. Sie erheben lieber scheinbar radikale Forderungen, wie das sofortige Verbot aller Pestizide, statt denjenigen den Rücken zu stärken, die sich auf den Weg hin zu umwelt- und klimaschonender Flächennutzung machen. Es reicht auch nicht mehr, lediglich das Leid der Nutztiere zu beklagen. Die AbL hat genaue Vorschläge zur Veränderung und zum Umbau der Tierhaltung gemacht und fordert, dass auch der Staat zusätzliche Gelder für den Umbau bereitstellt, damit Bauern nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Diejenigen, die wie im Neuland-Programm schon länger artgerechte Tierhaltung machen, sollen dabei auch berücksichtigt werden, statt in die Röhre zu gucken. Die AbL hat auch einen Vorschlag für eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik vorgelegt. Danach werden die EU-Agrargelder nach sozialen und ökologischen Qualitätskriterien differenziert eingesetzt und damit die gesellschaftlich wichtige Arbeit und Leistung der Bauern und Bäuerinnen auf dem Acker, auf dem Grünland und im Stall honoriert, statt wie bisher die Flächengröße zu belohnen. Die Vertreter/innen des „Weiter so oder ähnlich“ haben ihre Positionen in Berlin auch dargelegt. Sie werden uns nicht freiwillig und höflich den politischen Vortritt überlassen. Es wird eine harte Auseinandersetzung widerstreitender Interessen. Die zeitgleich zur Demo stattfindende internationale Agrarministerkonferenz hat sich immerhin mit unserer Kritik und unseren Forderungen auseinandersetzen müssen. Mit den 30.000 und den vielen jungen Menschen im Rücken können wir verstärkt in Brüssel, Berlin, in den Bundesländern und Regionen für unsere bäuerlichen Interessen streiten. Es ist nicht Aufgabe der Politik zu warten, bis sich alle einig sind. Mutiges Vorangehen im Setzen zukunftsfähiger, bäuerlicher Rahmenbedingungen ist gefragt. Das gilt auch bei den Koalitionsverhandlungen. Die Ergebnisse müssen daran gemessen werden, ob wirksame Schritte für eine gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft eingeleitet und gerade auch für kleine und mittlere Höfe und für junge Menschen in ländlichen Regionen Perspektiven eröffnet werden. An der Berliner „Schaubühne“ hängt immer noch das Banner: „So wie es ist, kann es nicht bleiben!“ In diesem Sinne, bewegen wir uns.
13.02.2018
Von: Georg Janßen, AbL-Bundesgeschäftsführer

Georg Jansen, AbL-Bundesgeschäftsführer Foto: Die Auslöser