Die Gentechnikkanzlerin

Kommentar

In den Medien wird gegrübelt, wer sich innerhalb der Bundesregierung im heftigen Streit um nationale Verbotsmöglichkeiten beim Gentechnikanbau durchsetzen wird. Ist es Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt (CSU), der vorgibt, die rechtssicherste Möglichkeit wären regionale Verbote in Verantwortung der Bundesländer? Oder ist es Bundesumweltministerin Hendricks (SPD), die bundesweite Verbotsmöglichkeiten in Verantwortung der Bundesregierung will? Wenn Minister Schmidt den Bundesländern oder gar den Regionen die Verantwortung zuschieben möchte, soll er sich die neuesten vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten zum Gentechnikgesetz genau durchlesen, vor allem aber das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010. Die Verfassungsrichter sehen bei dem Thema Gentechnik klar die Zuständigkeit des Bundes: Die Bundesregierung habe hier die „Kernkompetenz“, alles andere führe zur „Zersplitterung des Gentechnikrechts“. Da nützt es nichts, wenn Schmidt in einem aktuell überarbeiteten Gesetzesentwurf nun auch dem Bund einige Verbotskompetenzen zugestehen will, ohne das eigentliche Problem – den möglichen Flickenteppich – klar anzugehen und auszuschließen. Die Frage der Rechtssicherheit mag für juristische Seminare interessant sein – in Berlin wird die Gentechnikverbotsfrage aber nicht rechtlich, sondern politisch entschieden. Minister Schmidt agiert, ob nun auf Anweisung oder im vorauseilenden Gehorsam, bisher ganz im Sinne seiner Chefin. Die Würfel über Gentechnikverbote fallen im Zentrum der Macht, bei der Bundeskanzlerin Merkel. Nicht umsonst verlautet aus hohen CSU-Kreisen, dass die Strategie des Abschiebens der Verantwortung auf die Bundesländer von ganz oben aus der CDU komme. Erinnern wir uns: Die Kanzlerin wurde in der Vergangenheit nicht müde, stets den Hunger in der Welt zu bemühen, um ihre gentechnikfreundliche Haltung zu untermauern. Das Scheinargument wird auch durch Dauerwiederholung nicht richtiger. Offensichtlich wurde Merkels Einflussnahme, als 2014 das greifbare Verbot des Gentechnikmaises 1507 auf EU-Ebene scheiterte, weil die Kanzlerin intervenierte und die Bundesregierung mit Enthaltung stimmte. Aktuell hält sich die Kanzlerin in der Verbotsdebatte öffentlich bedeckt. Stattdessen lässt sie ihre engste Gentechnikverbündete im Bundeskabinett, Forschungsministerin Wanka, in Interviews gegen ein Gentechnikverbot wettern. Wanka sieht die Freiheit der Forschung gefährdet, den Wirtschaftsstandort Deutschland bedroht und überhaupt dürfe die Politik den Ängsten der Bevölkerung nicht ohne weiteres nachgeben. „Wir dürfen nicht gleich die Fahne einrollen, wenn es schwieriger wird“, so die Ministerin. Gut geheult. Das gentechnikfreundliche „Machtduo“ Merkel/Wanka versucht alles, um ein bundesweites, flächendeckendes Anbauverbot zu verhindern. Wenn schon Verbote, dann nur als Flickenteppich, der bald möglichst viele Löcher bekommen soll, von denen aus sich gentechnisch veränderte Pflanzen ausbreiten können. Merkel ist bekannt für solche Strategien. Nur bei starkem öffentlichem Druck dreht sie bei. Die kritische Gentechnikbewegung verfügt über jahrzehntelange politische Erfahrung und ist erfolgreich für eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung in Stadt und Land unterwegs. Sie arbeitet auf hohem inhaltlichem Niveau. Sonst hätte sich der Gentechnikanbau auf den Äckern unter Schützenhilfe von Bauernverbandsspitze und Agrarindustrie längst durchgesetzt und die Kanzlerin hätte den Gentechnikteppich für die Konzerne ausgerollt. Dem stellen wir die wirtschaftlichen Interessen der Bäuerinnen und Bauern, der vielen handwerklichen, kleinen und mittleren Betriebe der Lebensmittelwirtschaft und nicht zuletzt den klaren Wunsch der Zivilgesellschaft entgegen. Ermutigend, dass der Lebensmitteleinzelhandel zunehmend bewusst auch auf gentechnikfrei erzeugte tierische Lebensmittel setzt. Schön, dass die AbL nicht außen vor, sondern auch bei dieser Auseinandersetzung politisch mittendrin steht. Weiter machen!
07.07.2015
Von: Georg Janßen, AbL-BundesgeschäftsführerGeorg Janßen, AbL-Bundesgeschäftsführer