Bäuerliche Landwirtschaft sichern

Kommentar

Der weltweite Aufkauf von Land durch Kapitalgesellschaften und Investoren findet zunehmend auch in Europa statt. Das macht eine neue Studie, erstellt im Auftrag des Agrarausschusses des Europäischen Parlaments, zum Thema Landnahme („landgrabbing“) deutlich. Die Konsequenzen des Phänomens sind heute bereits in Rumänien sichtbar: Zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche sind in der Hand außereuropäischer und weitere 20 bis 30 Prozent gehören europäischen Investoren. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch in anderen Mitgliedstaaten. Die Studie stellt fest, dass die Landverteilung in Europa genauso ungerecht bzw. sogar noch ungerechter ist, als wir es von Brasilien, Kolumbien und den Philippinen kennen. In den ostdeutschen Bundesländern wird deutlich, dass die Kontinuität agrarindustrieller Strukturen, wie sie der Sozialismus begründet und die Politik nach dem Mauerfall bewusst nicht verändert hat, nun zum Nährboden von Landgrabbing wird. Außerlandwirtschaftliche Investoren suchen nach großen Investitionsobjekten wie LPG-Nachfolgeunternehmen, die aufgrund des sich vollziehenden Generationswechsels heute häufig keine Angestellten für die Leitung der Betriebe mehr finden. Dies führt zu einer immer weiter voranschreitenden Landkonzentration. Nicht selten wird dies von den politisch Verantwortlichen zumindest toleriert, anstatt einer Stärkung bäuerlicher Landwirtschaft mit einer breiten Eigentumsstreuung und regionaler Wertschöpfung den Weg zu ebnen. In Afrika haben die G7-Staaten die „Neue Allianz für Ernährungssicherheit“ ins Leben gerufen. In einer privat-öffentlichen Partnerschaft mit afrikanischen Staaten sollen finanzkräftige Investoren durch sichere Rahmenbedingungen in die afrikanische Landwirtschaft gelockt werden. Es besteht die Gefahr der Landkonzentration und des Exportanbaus. Beides bedroht die Nahrungsmittelproduktion der lokalen Bevölkerung. Der Zugang zu Land für Kleinbäuerinnen und -bauern wird eingeschränkt und ihnen wird somit die Lebensgrundlage entzogen. Ernährungssouveränität entsteht so nicht. Auch das Freihandelsabkommen TTIP trägt vor allem die Handschrift multinationaler Konzerne. Auch hier bleiben bäuerliche Strukturen, aber ebenfalls die Interessen der Verbraucher und vieler Arbeitnehmer, dies- und jenseits des Atlantiks, auf der Strecke. Zum Glück wehrt sich die Zivilgesellschaft, darauf muss die Politik reagieren. Die Konzentration von Landbesitz, der Einstieg von Konzernen in politische Entscheidungsprozesse, eine Politik, die der Agrarindustrie in die Hände spielt, zerstört bäuerliche Landwirtschaft und damit kulturelle und biologische Vielfalt sowie Regionalität, Arbeitsplätze auf dem Land und eine qualitativ hochwertige Produktion von Lebensmitteln sowie einen schonenden Umgang mit unserer Umwelt. Die europäische Agrarpolitik unterstützt diese Entwicklung, weil sie ihre Prämienzahlungen nach wie vor zum Vorteil großer, durchrationalisierter Betriebe ausgestaltet hat. Das muss sich ändern. Wir wissen um die Qualität bäuerlicher Landwirtschaft, und wir kennen genügend politische Instrumente, um sie zu stärken. Die Studienautoren unterstreichen dies mit ihren Empfehlungen für eine umfassende und an den Menschenrechten orientierte EU-Gesetzgebung zur Bodenpolitik. Nun braucht es den Mut, die Durchsetzungsfähigkeit und vor allem den politischen Willen, wirksame Maßnahmen auch einzusetzen.
07.07.2015
Von: Maria Heubuch, Milchbäuerin im Allgau und Mitglied des Europaparlaments