Pestizide besteuern!

Landwirtschaftsminister Habeck legt ein Gutachten zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln vor

„Wir müssen geeignete Wege finden, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und damit die Einträge in die Umwelt zu reduzieren“, so Robert Habeck, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein bei der Vorstellung des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens Anfang Oktober in Berlin. Das sei der Handlungsauftrag, der sich aus den EU-rechtlichen Vorgaben ergebe, und Ziel der Bundesregierung. „Daher sollten wir die Möglichkeit einer Steuer auf Pflanzenschutzmittel, wie es sie schon in Dänemark, Frankreich und Schweden gibt, diskutieren. Ziel muss eine effiziente Lenkungswirkung sein“, so der Minister. Erstellt wurde das Gutachten vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ). Die Wissenschaftler kommen darin zu dem Ergebnis, dass eine Steuer auf Pestizide wichtige Impulse zur Begrenzung des weiter steigenden Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in der Landwirtschaft setzen könnte. Damit würde neben einer Reduktion des Einsatzes derartiger Stoffe auch das daraus resultierende Risiko für Mensch und Umwelt verringert. Damit nehmen die Forscher Bezug auf den steigenden Einsatz von Pestiziden in den vergangenen Jahren. In den letzten 20 Jahren ist der Pflanzenschutzmittelabsatz um 36,7 Prozent gestiegen. Im Jahr 2013, so der Bericht, wurden in Deutschland knapp 100.000 t PSM mit über 30.000 t an Wirkstoffen verkauft. Vor allem finden die Herbizide, Fungizide, Insektizide und Wachstumsregler Einsatz in der Landwirtschaft. Darüber hinaus werden sie aber auch auf Gleisanlagen, Wegen und Plätzen verwendet. Derzeit sind in Deutschland annähernd 700 PSM und über 250 Wirkstoffe zugelassen, die von 92 Zulassungsinhabern und 106 Vertriebsunternehmen angeboten und von 12.290 registrierten Groß- und Einzelhändlern verkauft werden. Um den zukünftigen Einsatz von Pestiziden zu steuern und deren Anwendungsmenge insgesamt zu reduzieren, schlagen die Forscher eine Besteuerung vor, die sich aus drei Elementen aufbaut. Zum einen aus einem Grundabgabesatz in Höhe von 20 Euro für die maximal zulässige Aufwandmenge je PSM pro Hektar und Jahr (Hektar-Basispreis). So, die Einschätzung der Forscher, würden die „unterschiedlichen Wirkintensitäten der PSM und damit in pauschalisierter Form die ökotoxikologische Wirkung jedes PSM am besten und einfachsten widergespiegelt“. Verfeinert werden soll das bewusst einfach gehaltene Abgabenmodell durch einen humantoxikologischen Faktor, der sich anhand der europäischen ADI- und AOEL-Einstufung berechnet und das Risikopotential des jeweiligen Wirkstoffs für Verbraucher und Anwender ausdrückt. Die dritte Säule ist ein Zusatzfaktor von 1,5, der für PSM gilt, die Wirkstoffe enthalten, welche in der EU als Substitutionskandidaten eingestuft sind. Bereits Anfang dieses Jahres hatte die Europäische Kommission eine Durchführungsverordnung beschlossen, die eine Liste mit 77 zu ersetzenden Wirkstoffen („Substitutionskandidaten“) festlegt. Für diese Stoffe gilt bei zukünftigen Zulassungen die „vergleichende Bewertung“. Zulassungsbehörden in Deutschland und den anderen EU-Staaten müssen seit August 2015 bei jedem neuen Zulassungsantrag für ein Pflanzenschutzmittel, das einen der 77 Wirkstoffe enthält, prüfen, ob dieser durch einen risikoärmeren zu ersetzen sei. Für in Haus- und Kleingärten zur Anwendung kommende Mittel soll der Zusatzfaktor 4 betragen. Den Einwänden unter anderem des deutschen Bauernverbands, eine zusätzliche Abgabe würde die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft nachhaltig behindern, entgegnen die Wissenschaftler, dass der PSM-Einsatz ohnehin typischerweise nur wenige Prozent der landwirtschaftlichen Produktionskosten ausmache. Die Einführung der von ihnen vorgeschlagenen Steuer würde diesen relativ geringen Kostenfaktor im Durchschnitt um rund 40 Prozent je Hektar verteuern. „Das Gutachten ist Grundlage für eine intensive Diskussion“, betonte Habeck. Es zeige Wege auf, wie es gehen kann. Anregungen und Kritik würden in der Diskussion ernst genommen und in die Überlegungen einfließen. „Die Landwirtschaft steht unter großem ökonomischen Druck. Vor diesem Hintergrund gilt es, kluge Wege zu finden, wie potenzielle Einnahmen in die Landwirtschaft zurückfließen können, das ist ein wichtiger Aspekt“, sagte Habeck.
27.10.2015
Von: mn