Widerstand und Selbsthilfe

Kommentar

„Keine Zukunft ohne Bäuerinnen und Bauern“ war das Motto der 6. Demo unseres Netzwerks „Meine Landwirtschaft“ am 16. Januar in Berlin. Es tut richtig gut, dass wieder Zehntausende engagierte Menschen mit uns gemeinsam Flagge gezeigt haben für die bäuerliche Landwirtschaft. Selbst unsere Kritiker müssen zwei Dinge zugestehen: „Unsere“ Demo bekennt sich im Aufruf, in den Forderungen, den Reden und bis auf wenige Ausnahmen auch im Auftreten der Teilnehmer klar und eindeutig zu den Bauern und Bäuerinnen. Bäuerliche Landwirtschaft geht nur mit uns Bauern. Das ist hier allen bewusst. Und zweitens haben noch stärker als in den Vorjahren Bäuerinnen und Bauern das Bild der Demo mitgeprägt. Dank an alle, die sich wieder oder zum ersten Mal auf den Weg gemacht haben, vor allem Dank an alle Treckerfahrerinnen und –fahrer! Ihr seid das bäuerliche Gesicht der Demo und damit auch der Berichterstattung zur Grünen Woche! Doch trotz dieses starken Signals, trotz des gesellschaftlichen Rückhalts: Die Marktkrise bei Fleisch und Milch geht ins zweite Jahr, und kein Ende ist in Sicht. Die Agrar- und Ernährungsindustrie und ihr Steigbügelhalter in Bauernverband und Bundesministerium halten unbeirrt an der verfehlten Billig- und Massenproduktion für einen Weltmarkt fest, auf dem für die Bauern keine Wertschöpfung möglich ist. Was wir erleben ist Wertvernichtung. Von der EU und der Bundespolitik ist keine Hilfe zu erwarten, kalt lächelnd verfolgen sie den verzweifelten Überlebenskampf und den absehbaren Ruin ganzer Sektoren der Landwirtschaft. Namentlich Minister Schmidt ist in seiner stumpfen Gleichgültigkeit kaum zu ertragen, er ist entweder der schwächste oder der zynischste Landwirtschaftsminister, den wir je hatten. Ihnen allen ist eine Zukunft ohne Bäuerinnen und Bauern anscheinend recht. Schwer auszuhalten ist dabei die Schicksalsergebenheit der meisten Berufskollegen. Viele scheinen sich mit dem Ende ihres Betriebes schon abgefunden zu haben, glauben auch wohl, sie seien einfach nicht tüchtig, fleißig und „unternehmerisch“ genug. Dabei ist ihr Ruin system- und damit auch politikbedingt. Das Wachstum weniger Großer in industrielle Strukturen funktioniert nur, wenn viele Kleinere und Mittlere weichen. Was können wir dagegen setzen? Einmal müssen wir noch stärker uns auf bäuerliche Überlebensstrategien besinnen; je weniger kapitalintensiv und bankenfinanziert ein Hof ist, desto eher kann er eine Durststrecke überleben. Nachhaltige Erzeugung von Qualitätsprodukten aus eigenen und regionalen Ressourcen mit starker Kundenbindung sichert auch in der Krise die Wertschöpfung; bestes Beispiel hierfür ist der hochpreise Markt für Biofleisch und Biomilch, der sich aufgrund derzeit umgekehrter Verhältnisse von Angebot und Nachfrage von den desaströsen Dauertiefstpreisen der Weltmarktideologie abkoppeln konnte. Und doch können wir uns nicht in diese Nischen zurückziehen. Eine Aufteilung der Landwirtschaft in Agrarindustrie einerseits und idyllische Vorzeigebauernhöfe andererseits dürfen wir nicht hinnehmen, denn die industriellen Strukturen haben die Tendenz, weiter zu wuchern, und würden auch die Nischen nicht verschonen. Auch dafür gibt es Beispiele im Biosektor. Deshalb lasst uns weiterhin politisch mit allen Mitteln für den Erhalt einer flächendeckenden bäuerlichen Landwirtschaft streiten!
04.02.2016
Von: Ottmar Ilchmann, stellvertretender AbL-Vorsitzender

Ottmar Ilchmann, stellvertretender AbL-Vorsitzender