Erste Wahl: bäuerliche Anliegen

Kommentar

Die Agrarsozialwahl hat sich schon in der Vorbereitung zu einem Krimi entwickelt. Dessen Spannung, die handelnden Akteure und die sich neu ergebenden Handlungsstränge haben volle Aufmerksamkeit verdient! Auch wenn das Thema trocken klingt und sich scheinbar fernab vom fordernden Hofalltag abspielt: Es steht die bundesweit erste demokratische Wahl in der Landwirtschaft an. Für die Vertreterversammlung der Agrarsozialversicherung sind alle Selbständigen ohne familienfremde Arbeitskräfte (SofA) und ihre Ehegatten zu dieser ersten Wahlhandlung innerhalb der großen und vielfältigen Bauernschaft aufgerufen. Jetzt heißt es: Wählen! Denn nur wer wählt, nutzt sein und ihr demokratisches Mitbestimmungsrecht. Im „Parlament“ der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) wird über die Gestaltung der Beiträge und Leistungen vor allem der Berufsgenossenschaft und Krankenversicherung entschieden. Auch das Beratungsangebot zur Sozialversicherung wird von dort maßgeblich bestimmt. Es geht um was. Die mit viel persönlichem Engagement bis zur Wahlzulassung gebrachte Freie Liste Eickmeyer, Habben, Schmid, Behring, Michel möchte sich in diesem Rahmen für bäuerliche Interessen auch im Sinne von Grundstückseigentümern, Waldbesitzern, Winzern, Imkern und Jägern einsetzen. Ihre Themen dürften so manch anderem aus der Seele sprechen: Beitragsgerechtigkeit, Transparenz von Beschlüssen und Alternativen, Generationengerechtigkeit und unabhängige Beratung. Wählen kann auch abwählen heißen: Die Heftigkeit, mit der der Alleinvertretungsanspruch des Deutschen Bauernverbandes und seiner Landesbauernverbände z.B. im Beschwerdeverfahren der Freien Listen vor dem Bundeswahlausschuss verteidigt wurde, zeigt den Zündstoff. Was seit geraumer Zeit wackelt, könnte in diesem Jahr in Wahlergebniszahlen sichtbar werden. Bisher wurden die zwei Gruppen zur Vertretung der landwirtschaftlichen Unternehmen, die Arbeitgeber und die SofA, fast ausschließlich mit Bauernverbandsvertretern besetzt. Die Beratung zu Fragen der Sozialversicherung ist z.T. an Bauernverbände übergeben worden – inklusive den dafür zustehenden Finanzmittel. Die bei der Zusammenführung zu einem bundesweiten Träger, der SVLFG, beschlossene neue Beitragsberechnung bevorzugt durchrationalisierte Wachstumsgewinner und belastet die Mehrheit der Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe. Solcher Art Klientelpolitik für einige Wenige ist bisher Programm. Das will die Freie Liste Eickmeyer ändern. Für die Höfe häufen sich zur Zeit die brennenden Themen und anstehenden Veränderungen. Nicht nur weil sich gesellschaftliche Werte ändern, sondern weil jahrzehntelang von den Spitzenvertretern und Funktionären des Bauernverbands Lobbyarbeit im altmodischen Gewand betrieben wurde. Die Taktik, alle Einschränkungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs beiseite zu schieben, hat zu einer Verdrängung der Höfe untereinander geführt. Gesellschaftlich anerkannte und notwendige Werte ohne Marktpreis wie Tierwohl und der Erhalt der Ökosystemleistungen Bodenfruchtbarkeit, Gewässerreinheit, Biodiversität standen hinten an - ein auskömmliches, zufriedenstellendes Einkommen sprang für die Bäuerinnen und Bauern bei all dem nicht heraus, aber ein zunehmendes gesellschaftliches Akzeptanzproblem für weit verbreitete und geförderte Wirtschaftsweisen. Immer deutlicher wird, dass es neue Perspektiven für die Entwicklung der Landwirtschaft und aktiv dafür eingebrachte Gestaltungsideen braucht. Diese kämpferisch einzufordern und streitbar die Diskussion zu etablieren, bleibt oben auf der Agenda, auch wenn es erste nachdenkliche Töne aus bislang gegensätzlich argumentierenden Reihen gibt. Also dranbleiben, nicht nachlassen und mit Bedacht wählen zwischen Ideen, angebotenen Wegen und Interessenvertretungen! Die Sozialwahl zum 31. Mai 2017 bietet dazu eine echte Chance.
08.03.2017
Von: cw

Christine Weisenberg, Redakteurin der unabhängigen Bauernstimme