Landwirtschaft ohne Glyphosat

Aus der Sicht eines Ackerbauern

Glyphosat ist der weltweit am meisten verwendete Wirkstoff aller synthetischen Pflanzenschutzmittel. Fast eine Million Tonnen werden jedes Jahr ausgebracht, mit steigender Tendenz. Aber es bilden sich mehr und mehr Resistenzen, das System ist ausgereizt. Hinzu kommt, dass multinationale Agrarkonzerne große Teile ihrer verheerenden Marktmacht auf der gentechnischen Manipulation von Pflanzen aufgebaut haben, um diese zum Beispiel resistent gegen den totalherbiziden Wirkstoff Glyphosat zu machen. Das wiederum bedeutet, dass ein etwaiges Verbot dieses Wirkstoffes die Agrarindustrie eines ihrer lukrativsten Kombiprodukte berauben würde. Ein Schelm, wer denkt, dies könnte einer der Gründe sein, warum Glyphosat trotz seiner schädlichen Wirkung auf Umwelt, Tier und Mensch noch immer zugelassen ist. Aus unterschiedlichen Gründen gibt es bei Bäuerinnen und Bauern schon lange ein Nachdenken darüber, auf den Wirkstoff Glyphosat gänzlich zu verzichten und sich damit von einer Ackerbaustrategie mit Totalherbiziden zu verabschieden, oder seine Verwendung zumindest stark einzuschränken. Hierzu sollen im Folgenden einige Anregungen gegeben werden. Wettbewerbsvorteile schaffen Erfolgreiche ackerbauliche Methoden fußen immer auf dem gesamten Zusammenhang von Boden, Bodenleben, Pflanzenwachstum (Wurzel und Spross!) sowie dem oberirdischen Leben von Tier und Mensch. Der gewünschten Kultur, der Art, die wir als Lebensmittel oder Futter ernten wollen, sollten wir einen „Wettbewerbsvorteil“ verschaffen und sie pflegen und stärken, ohne aber andere Arten im gesamten System komplett zu vernichten. Konkret am Beispiel der Saatbettbereitung heißt das, den zeitgleich keimenden Samenpflanzen ungünstigere Bedingungen zu hinterlassen als der Kultur selbst: In Pflug- oder Mulchsaat schaffen wir eine zu trockene oder zu lockere Umgebung zur Keimung der Beikräuter, in der Direktsaat ein eher zu festes, zu kaltes oder zu nasses Milieu. Die Kultur selbst jedoch wird in ihr optimales Saatbeet gelegt, damit sie einen zeitlichen Wachstumsvorsprung erlangt und eine bessere Vitalität mitbekommt als die „Wettbewerber“. Auch der weitere Weg der Wurzel in den Unterboden muss, gegebenenfalls für die Kultur spezifisch, aber in jedem Fall ohne Horizonte, Sohlen oder Dichtlagerungen erfolgen. Weitere Wettbewerber unserer Kultur sind Wurzelunkräuter wie Distel, Ampfer, Quecke oder Knöterich. Diese bilden in unterschiedlicher Tiefe Rhizome aus, um ihre Reservestoffe zu speichern und später wieder daraus zu wachsen und sich zu verbreiten. Sie profitieren von Bedingungen, die für die meisten übrigen Pflanzen Nachteile bedeuten, z. B. Verdichtungen oder Horizonte, unter denen ihre Rhizome gedeihen oder tief liegende Nährstoff- und Wasservorräte, die sie auf Grund ihres Habitus besser erreichen können. Diese Spezialisten können mit Totalherbiziden nur „kosmetisch“ unterdrückt bzw. oberflächlich niedergehalten werden, daher müssen hier ohnehin ackerbauliche Methoden genutzt werden, um deren Konkurrenzkraft zu schwächen. Dies bedeutet in erster Linie, dass ein Bodenleben und Wurzelwachstum etabliert werden müssen, die einen durchgängig garen und durchwurzelbaren Boden schaffen, der Wasser und Nährstoffe aufnehmen und speichern kann. Die wichtigsten Parameter hierfür sind: - Eine vielfältige Fruchtfolge: Sie sollte eine möglichst durchgehende Durchwurzelung aller Bodenschichten mit möglichst vielen verschiedenen Arten und unterschiedlichen Wurzelsystemen ermöglichen. Diese stellen verschiedene Ansprüche an den Lebensraum und durchwurzeln so den gesamten Boden. Dieser Konkurrenzdruck kann die Rhizome von Wurzelunkräutern an der weiteren Ausbreitung hindern. - Ein möglichst ganzjähriger Bewuchs des Wurzelraumes durch Einsatz von Zwischenfrüchten und Untersaaten sowie durch geschickten Wechsel von kurz nacheinander passenden Kulturen, um keine „Erholungsphase“ für die Rhizome zu haben. - Beweidung der Ackerflächen oder Ackerfutterbau (z. B. Kleegras), um über die Parameter A und B hinaus die Reservestoffe aus den Rhizomen durch häufige Mahd bzw. Verbiss zu erschöpfen. Eine abgemähte oder abgeweidete Pflanze wird Reservestoffe aus ihren Rhizomen auslagern und in neuer, oberirdischer Pflanzensubstanz verbauen. Eine mehrfache Wiederholung dieses Prozesses schwächt die Unkrautpopulation erheblich. - Eine optimale Bodenbearbeitung und schonende Behandlung unseres wichtigsten bäuerlichen Produktionsfaktors, des Bodens. Horizontaler Schnitt In der Praxis lässt sich eine nachhaltige Förderung des Bodenlebens und Schonung des Bodens allgemein am besten mit pfluglosen, konservierenden Verfahren der Bodenbearbeitung erreichen. Um die Rhizome oben beschriebener Wurzelunkräuter grundlegend zu bekämpfen, müssen sie als Ganzes flach „ausgegraben“ werden, um an der Oberfläche zu vertrocknen und aus den tieferen Schichten immer wieder zum vegetativen Wachstum angeregt werden, um ihre Reservestoffe zu verbrauchen. Keinesfalls sollten die waagerecht wachsenden Rhizome senkrecht geteilt und damit vermehrt werden. Dieser ackerbauliche Fehler wird leider mit Scheibeneggen oder Fräsen gemacht. Es sollte immer waagerecht komplett abgeschnitten werden, um die Wurzelunkräuter am erneuten Einlagern von Reservestoffen zu hindern. Dieser horizontale Schnitt lässt sich nur mit geeigneter Grubbertechnik realisieren, die in der Lage ist, sehr flach und komplett waagerecht zu arbeiten. Nur mit der Arbeit auf festem Boden, wie bei der konservierenden Bodenbearbeitung, ist dies möglich, da ein sauberer, waagerechter Schnitt einen „Gegenhalt“ benötigt. Hier wird bei jeder Maßnahme (z. B. bei der Stoppelbearbeitung) mit einem geeigneten Grubber in wachsende Tiefe gearbeitet, um immer neue Rhizome oben zum Vertrocknen abzulegen. Die wendende Bodenbearbeitung mit dem Pflug wirkt gegen Wurzelunkräuter weniger nachhaltig, da einerseits die oberen Rhizome wieder vergraben bzw. „eingepflanzt“ werden, andererseits eine große Gefahr der Horizontbildung durch Pflugsohlen oder spätere Verdichtung der zu lockeren Bodenschichten durch Befahren mit schwerer Technik besteht. Billiges Glyphosat Häufig wird durch die Lobby der Agrarindustrie, die Totalherbizide verkaufen möchte, angeführt, ein Verzicht auf diese Pflanzenschutzmittel bedinge zwangsläufig den erneuten jährlichen Umbruch mit dem Pflug von bisher in Mulchsaat geführten Beständen, mit den bekannten negativen ökologischen Folgen. Diese Behauptung ist mit ausreichend fundiertem, ackerbaulichem Fachwissen nicht haltbar. Aus ökonomischer Sicht wird der Landwirtschaft außerdem suggeriert, der Einsatz des – zugegebermaßen sehr billigen – Glyphosats würde Kosten sparen. Das mag kurzfristig stimmen, da zunächst weniger Arbeitsgänge nötig sind. Angesichts der unkalkulierbaren Risiken für Mensch und Natur sowie Folgekosten, z. B. wegen verunreinigten Grundwassers, wirkt diese Aussage eher zynisch bis verantwortungslos. Außerdem werden die positiven Effekte eines sorgsamen und gewissenhaften Ackerbaues diese Mehrkosten durch den besseren Zustand des Bodens und ein Vielfaches an Bodenleben bei weitem übertreffen. Im pfluglosen Bioanbau, der in dieser Richtung sehr viel weiter denken muss, konnten diese Schritte entwickelt und erfolgreich getestet werden. Wenn sie zum Ackerbau ohne jegliches Pflanzenschutzmittel geeignet sind, werden wir eine Vermeidung von Glyphosat leicht realisieren können. Wer also die angedeuteten Schritte im Ackerbau gehen möchte, ist weiter auf dem Weg zur nachhaltigen und bodenschonenden Arbeitsweise. Dazu sind alle Bäuerinnen und Bauern herzlich eingeladen.
04.04.2017
Von: Jan Wittenberg, AbL-Bundesvorstand und Bio-Ackerbauer in Niedersachsen