Reaktionen auf den Nitratbericht 2020: Merkel und Klöckner müssen endlich Ursachen anpacken

Auch wenn im Nitratbericht 2020 von einer leichten Verbesserung bei der Nitratbelastung im Grundwasser die Rede ist, so zeigen die Reaktionen auf den Bericht doch eines: Es besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf. AbL: Artgerechte und flächengebundene Tierhaltung sind gelebter Grundwasserschutz
So erklärt Martin Schulz, Neuland-Schweinehalter und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) „Wir Bäuerinnen und Bauern sind bereit für mehr Grundwasserschutz. Dass dieser dringend notwendig ist, zeigt abermals der heute veröffentlichte ‚Nitratbericht 2020‘. Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Ministerien Julia Klöckner, muss hierfür nun endlich einen entsprechenden politischen Rahmen setzen, der die landwirtschaftliche Praxis mitdenkt“. Die erst kürzlich beschlossene Düngeverordnung greife hierfür zu kurz und führe im Berufsstand zu Frust. „Damit wir die Ursachen der Nitratbelastung in den Griff bekommen, braucht es eine Abkehr von der auf Export und Import basierenden Weltmarktorientierung. Denn nicht zuletzt der massive Soja-, und damit auch Nährstoffimport, führt hierzulade zu Nährstoffüberschüssen. Alternativ brauchen wir endlich eine lokale Qualitätsproduktion, die für Bäuerinnen und Bauern Planungssicherheit und gerechte Preise bietet. Der Anbau heimischer Futterpflanzen und eine artgerechte und flächengebundene Tierhaltung sind gelebter Grundwasserschutz. Die gestern vom Bundeskabinett eingesetzte ‚Zukunftskommission Landwirtschaft‘ muss dieses grundsätzliche Umsteuern in der Agrarpolitik nun anpacken und gestalten“, so der AbL-Vorsitzende. BÖLW: Tierhaltung an die Fläche binden
Auch der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, sieht die Bundesregierung in der Pflicht. „Das wirksamste Instrument gegen viel Dünger im Grundwasser packt die Bundesregierung nach wie vor nicht an: die Tierhaltung an die Fläche zu binden. Damit lässt die Bundesregierung weiter zu, dass Höfe, die bereits wasserschützend wirtschaften, die Probleme ausbaden müssen, die Betriebe verursachen, die zu viele Tiere halten“, erklärt der BÖLW-Vorsitzende. Entscheidend sei es deshalb, dass die Bundesregierung mit wirksamen Regeln erreicht, gerade in kritischen Regionen mit zu hohen Viehdichten, weniger Tiere zu halten. Nur mit einem Umbau der Tierhaltung lässt sich nach Ansicht des BÖLW-Vorsitzenden das Nitratproblem lösen. „Es gehört zu den Grundlagen der Ökologischen Landwirtschaft, dass nur so viele Tiere auf die Fläche kommen, wie Böden und Gewässer verkraften. Auch Kunstdünger, also synthetischer Stickstoff, ist bei Bio tabu. Beides sind gute Gründe, weshalb so viele Wasserwerke mit Bio-Bauern kooperieren und die Umstellung auf Öko fördern. Ebenso, wie auch die EU das Ziel von 25 % Öko bis 2030 gesetzt hat, um die Überfrachtung von Ökosystemen mit Nitrat und andere Umweltproblem in den Griff zu bekommen“, so Felix Prinz zu Löwenstein. BUND: Jetzt wirksame Lösungen müssen her
Matthias Meißner, Abteilungsleiter Biodiversität beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), ist erwartungsgemäß unzufrieden. Er fordert die Umsetzung einer strengen Düngeverordnung, damit Grund- und Oberflächengewässer vor Nährstoffeinträgen geschützt werden. „Die weitere Verschleppung von Maßnahmen zum Schutz unserer Gewässer und die möglichst kleinflächige Ausweisung von ‚Roten Gebieten‘, in denen die Landwirtschaft konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Nährstoffüberschüsse ergreifen muss, können wir uns beim Gewässerschutz nicht weiter erlauben. Der Aufruf des Deutschen Bauernverbandes zur Gelassenheit und zum Abwarten ist kontraproduktiv. Unsere Gewässer sind bereits heute in einem desaströsen Zustand, deshalb müssen Lösungen her, die jetzt wirken und nicht erst in einigen Jahren“, erklärt Meißner. BDEW fordert „endlich ein effektives und strenges Düngerecht“
Deutliche Kritik am Vorgehen der Bundesregierung kommt anlässlich der Vorstellung des Nitratberichts auch von Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Der Nitratbericht verdeutlicht: Wir brauchen in Deutschland endlich eine echte und nachhaltige Verringerung der Nitrateinträge insbesondere in den roten Gebieten mit einer Überschreitung des europäischen Grenzwertes von 50 Milligramm je Liter Grundwasser. Der Vorschlag, den das Bundeslandwirtschaftsministerium jetzt zur Umsetzung der Düngeverordnung gemacht hat, ist dafür jedoch nicht geeignet. Im Gegenteil: Mit der vorgelegten Verwaltungsvorschrift wäre nicht mehr die tatsächlich gemessene Belastung in den roten Gebieten ausschlaggebend, sondern die Ergebnisse einer Modell-Betrachtung. Dabei sollen Standortfaktoren wie etwa Bodenart, Nitrateinträge, Witterungsverhältnisse mit in die Berechnung der Modellergebnisse einbezogen werden. Diese wären dann die Grundlage für eine Entscheidung darüber, ob überhaupt weitere Minderungsmaßnahmen in roten Gebieten erfolgen sollen und nicht mehr die tatsächlich gemessene Grenzwertüberschreitung. Damit droht ein künstliches "Wegrechnen" der tatsächlichen Grenzwertüberschreitung. Dies ist keine Strategie, die die Belastung unserer Grundwasser-Ressourcen effektiv reduziert. Diese Vorgehensweise wird auch den Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie nicht gerecht. Wir brauchen endlich ein effektives und strenges Düngerecht."