AbL fordert Reform der Bodenpolitik

Wem gehört der Acker? Diese Frage stellt das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) zu Beginn einer Pressemitteilung und hat eine eindeutige Antwort: In Deutschland zunehmend: einem überregionalen Investor. „Die Bodenpreise sind stark gestiegen – sie haben sich seit 2005 verdreifacht. Daher können sich Landwirte die zum Verkauf stehenden Agrarflächen oft nicht mehr leisten. Das hat auch Folgen für die Struktur im ländlichen Raum – für das Zusammenleben auf dem Dorf und die Lebensqualität vor Ort“, so das BMEL anlässlich der Vorstellung einer neuen Studie des Thünen-Instituts „Auswirkungen überregional aktiver Investoren in der Landwirtschaft auf ländliche Räume“. Auch mit Blick auf die Studie fordert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) eine Reform der Bodenpolitik. Die Studie des Thünen-Instituts kommt nach Ansicht des BMEL zu zwei zentralen Ergebnissen:
1. Es besteht die Gefahr der Entfremdung innerhalb der Gemeinden. Denn ortsfremde Betriebsinhaber integrieren sich in der Regel weniger in das Dorfleben, engagieren sich nicht für die Gemeinde.
2. In den beiden untersuchten Regionen ist die Eigentumskonzentration 30 Jahre nach der Wiedervereinigung bei Agrarflächen deutlich höher als bisher angenommen. Der wirtschaftliche Druck nach der Wende hat zu den zahlreichen Verkäufen geführt. Finanzstarke Investoren greifen zu. Der Projektleiter des Thünen-Instituts, Andreas Tietz, zu der Studie: „Im Zentrum unserer Studie steht die Erkenntnis, dass sich die Art und Weise des agrarstrukturellen Wandels verändert. Das betriebliche Wachstum vollzieht sich zunehmend in lokalen und überregional organisierten Holdingstrukturen. Dieser Prozess wird von nichtlandwirtschaftlichen Investoren, zum Teil aber auch den Landwirten selbst vorangetrieben. Für uns stellt sich die Frage, wie dieser Prozess das Verhältnis zwischen den ländlichen Gemeinden und der Landwirtschaft verändert. Landwirtschaft hat eine zentrale Bedeutung für die lokalen natürlichen Ressourcen und ressourcennahen Infrastrukturen. Damit geht es auch um den Beitrag der Landwirtschaft zur ländlichen Entwicklung, das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung und letztlich um die gesellschaftliche Akzeptanz der heutigen Landwirtschaft.“ Zum Ergebnis der Studie erklärt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner: „Wir sehen: Die Agrarflächen sind zum Spekulationsobjekt geworden. Doch was für außerlandwirtschaftliche Investoren ein gutes Geschäft ist, ist für unsere Bauern eine große Gefahr: Sie verlieren einen fairen und bezahlbaren Zugang zu Ackerflächen, die ihnen das Einkommen sichern: Bauern brauchen Böden.“ Um dieser Entwicklung gegen zu steuern, fordert die Ministerin die Bundesländer erneut deutlich auf, ihrer grundgesetzlichen Aufgabe nachzukommen: Sie müssten ihr Bodenrecht an die heutigen Herausforderungen anpassen und die bestehenden Rechtslücken schließen. So würden etwa 75 Prozent der Pachtverträge in Deutschland rechtswidrig nicht angezeigt. Kein Anteilskauf wird bislang erfasst. „Die dringend notwendige Reform darf in den Ländern nicht wie eine heiße Kartoffel von Landesregierung zu Landesregierung weitergegeben werden. Hier müssen jetzt endlich Taten folgen. Es besteht kein Erkenntnisdefizit: Wer es politisch will, der kann es tun. Baden-Württemberg hat es vorgemacht und 2009 innerhalb eines Jahres die Lücken geschlossen“, so die Ministerin. Aber auch der Bund sei in der Pflicht, so die Ministerin weiter. Nach wie vor können Anteilseigner die Grunderwerbssteuer umgehen, indem sie sich zunächst nur mit 94 Prozent an einem Agrarbetrieb beteiligen. Nach fünf Jahren kaufen sie dann den Rest – alles steuerfrei. Das Bundesfinanzministerium hat vorgeschlagen, diese Schwelle auf 90 Prozent zu setzen: „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und mir klar zu wenig. Ich will, dass diese Grenze auf 75 Prozent abgesenkt wird. Das habe ich auch dem Bundesfinanzminister deutlich gemacht und einen Vorschlag vorgelegt“, so Julia Klöckner. Das würde die Umgehung der Grunderwerbsteuer beim Kauf von Agrarimmobilien drastisch verringern. AbL fordert Reform der Bodenpolitik Die AbL fordert die Ministerin auf, endlich auch selbst Konsequenzen aus den Erkenntnissen zu ziehen. Reiko Wöllert, stellvertretender Bundesvorsitzender der AbL und Bauer in Thüringen, kommentiert: „Warum zieht das Bundesministerium aus den Studien keine Konsequenzen? Vor einem Jahr hat das BMEL eine Tagung mit dem provokanten Titel „Boden ohne Bauern“ durchgeführt. Passiert ist seitdem: nichts. Die Ministerin kennt seit Jahren den ausführlichen Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe von 2014, der nicht nur eine sehr fundierte Analyse der Bodenmarktsituation, sondern auch eine Reihe von Handlungsoptionen zur Reform des landwirtschaftlichen Bodenmarktes vorgelegt hat. Konsequenzen? Fehlanzeige. Stattdessen bemerkt die Bundesministerin, dass der Bund seine Hausaufgaben schon gemacht hat und die Bundesländer doch am Zug seien. Die Länderagrarminister*innen spielen den Ball zurück, Berlin müsse handeln. Die AbL meint: Ob CDU, CSU, SPD, Grüne, Linke – sie müssen die politische Patenschaft für die außerlandwirtschaftlichen Investoren auf Bundes- und Länderebene endlich beenden.“ Die Bodenpolitik muss nach Ansicht der AbL in einer gemeinsamen Kraftanstrengung reformiert werden. „Landwirtschaftlicher Grund und Boden muss sich am Gemeinwohl und an den Interessen von Bäuerinnen und Bauern ausrichten. Das gilt sowohl für den Kauf, als auch für die Pacht. Es reicht nicht, wenn Frau Klöckner unsere Forderung „Ackerland in Bauernhand“ übernimmt. Sie kann dafür auch die politischen Rahmenbedingungen schaffen, indem sie die lukrativen Anteilskäufe für die außerlandwirtschaftlichen Investoren unattraktiv macht - Klöckner muss es politisch wollen. Die Länderagrarminister*innen können längst durch soziale Agrarstrukturgesetze eine gerechtere Verteilung des Bodens gezielt steuern. In Sachsen-Anhalt hat die Regierung das Gesetz viel zu spät ins Parlament eingebracht und es damit wegen der anstehenden Landtagswahlen wieder einmal an die Wand gefahren. Die Landesregierung in Thüringen hat außer Absichtserklärungen noch nichts veröffentlicht, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist man auch noch nicht weiter. Die Corona-Pandemie zeigt doch: Wir brauchen auf dem Lande viele Bauernhöfe, die eine gesunde Lebensmittelversorgung und eine gesunde Agrarstruktur sicherstellen können, dazu ist der Zugang zu Boden eine Grundvoraussetzung“, so Wöllert. Schon vor über 50 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. Januar 1967 (BVerfGE 21,73/86) ausgeführt: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen: eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern“.