Breite Ablehnung des Mercosur-Abkommens durch die Landwirtschaft
Heftige Kritik an dem zwischen der EU und den Mercosur-Staaten abgeschlossenen Freihandelsabkommen üben die Milchbauern und -bäuerinnen des European Milk Board (EMB und des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) sowie der Bauernverband. Frankreich will das Abkommen auch mit Blick auf die Auswirkungen für die eigene Landwirtschaft in der vorliegenden Form nicht ratifizieren.
„In der EU arbeiten wir Milcherzeuger seit Jahren daran, dass der Milchsektor krisenstabil und wieder zukunftsfähig wird. Das Mercosur-Abkommen konterkariert diese Bemühungen leider“, erklärt die EMB-Vizepräsidentin Sieta van Keimpema.
Durch die nun beschlossene hohe Rindfleischquote von 99.000 Tonnen für Exporte aus den südamerikanischen Ländern in die EU bestehe zum einen die Gefahr, dass die Rindfleischpreise in der EU stark sinken und Teile der einheimischen Fleischproduktionen verdrängt werden. Weitere Vereinbarungen im Mercosur-Abkommen könnten außerdem die bereits bestehende Überproduktion im Milchsektor noch weiter verschärfen. Eine der Ursachen für die schädliche EU-Mehrproduktion ist der hohe Import an Soja. Die vereinbarte Senkung der Mercosur-Exportzölle wird voraussichtlich zu noch höheren Sojaimporten in die EU führen, was die EU-Mehrproduktion noch weiter ankurbeln könnte.
„Außerdem unterscheiden sich die Agrarprodukte, die nun vermehrt zu uns nach Europa kommen werden, bezüglich der Standards und Produktionsanforderungen von denen, die in der EU produziert werden. Das führt zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der EU-Erzeuger“, führt van Keimpema aus. Und es stelle sich zudem die Frage, inwieweit für die EU-Verbraucher garantiert werden kann, dass zumindest die zugesicherten landwirtschaftlichen Standards auch wirklich eingehalten werden.
Aber nicht nur für die Milchproduzenten und Verbraucher in der EU sei das Abkommen bedenklich, wie van Keimpema weiter anmerkt: „Für die südamerikanischen Milcherzeuger sind die Zollverringerungen für EU-Milchprodukte mit der Gefahr sinkender Milchpreise in ihren Ländern verbunden. Auch wenn unser Verband in erster Linie die europäischen Milcherzeuger vertritt, wollen wir auch für die Berufskollegen im Mercosur-Raum keine Verschlechterung der Preislage.“
Hinzu komme, dass aktuell die Entwicklungen in Brasilien, dem Mercosur-Hauptwirtschaftsland, sehr besorgniserregend seien. „Sowohl der Umgang des Staates mit Menschenrechten als auch seine Entscheidungen im Umweltbereich stoßen weltweit auf wichtige Kritik, der wir uns anschließen“, so van Keimpema. So sieht sie beispielsweise die verstärkten Rodungen des Regenwaldes seit Anfang 2019 als äußerst bedenklich an.
Wie das EMB betont, gehe es bei der Beurteilung des Mercosur-Abkommens durch die Milcherzeuger nicht darum, Protektionismus zu fördern. Es sei wichtig, dass Handelsabkommen dazu beitragen, faire und ausgeglichene Handelsbeziehungen zu erreichen. Und zwar solche, die den landwirtschaftlichen Produzenten sowie den Bürgern hier und dort keine Nachteile bereiten. Das bestehende Mercosur-Abkommen erfülle diese wichtige Anforderung aus den oben angeführten Gründen leider nicht.
Nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. ist das EU-Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten ein weiteres Handelsabkommen, in dem Agrarprodukte zur Verhandlungsmasse und zum Faustpfand für die Besserstellung bei Industriegütern, insbesondere der Autoindustrie, werden.
„Wenn weiterhin die Landwirtschaft als sensibler und klimarelevanter Bereich auf dem Altar der Profitinteressen von Industriegütern im großen Stil geopfert wird, erscheinen die von Politik und Gesellschaft geforderten kleinteiligeren Klimaschutz-Maßnahmen im Sinne einer globalen Klimastrategie fast als sinnlos“, kritisiert BDM-Vorsitzender Stefan Mann. „Ziele und Strategien, die auf europäischer Ebene verfolgt werden, wie beispielsweise Gentechnikfreiheit, die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, Eiweiß- und Biodiversitätsstrategien, werden mit Einfuhren aus den Mercosur-Staaten, die unter deutlich niedrigeren ökologischen und sozialen Standards produziert werden, konterkariert“, so Mann. Die von EU-Agrarkommissar Phil Hogan in Aussicht gestellten Hilfsgelder „bescheren den Landwirten zudem ein schlechtes Image als ewige Subventionsempfänger.“
Nach Ansicht des BDM können Bundesregierung und Bundestag nun zeigen, wie ernst sie es mit Klima- und Artenschutz meinen. Liegen ihnen der Erhalt und Schutz der lebensnotwendigen natürlichen Ressourcen am Herzen, dürfte das Abkommen mit den Mercosur-Staaten so nicht unterzeichnet werden.
Auf die unterschiedlichen Standards weist auch der Präsident des Bauernverbands Joachim Rukwied hin. „Es ist nicht zu akzeptieren, dass die EU-Kommission diese völlig unausgewogene Vereinbarung unterzeichnet. Dieses Handelsabkommen ist Doppelmoral pur. Es gefährdet die Zukunft vieler bäuerlicher Familienbetriebe, die unter den hohen europäischen Standards wirtschaften“, so Rukwied.
Frankreich hat bereits angekündigt, das vorliegende Abkommen nicht ratifizieren zu wollen. Mit Blick auf die eigenen Rinderhalter und Zuckerrübenanbauer sowie die drohende Gefahr weiterer Regenwaldabholzungen insbesondere unter dem neuen Präsidenten in Brasilien verlangt es Nachverhandlungen.