Bei der Hofabgabeklausel wird Politik persönlich

Tauziehen um strukturpolitisches Instrument bringt Reförmchen statt klare Kante

Zur immer wieder heftig umstrittenen Hofabgabeklausel (HAK) bei der Alterssicherung der Landwirte (AdL) haben die Regierungsparteien nach Gesprächen im März verlauten lassen, dass sie sich einigen konnten, wie dieses politische Instrument innerhalb des Agrarsozialsystems umgestaltet werden soll. Vorgesehen sind Änderungen bei einzelnen Elementen; die Verpflichtung zur Hofabgabe, um Rente beziehen zu können, bliebe an sich bestehen (siehe auch Seite 24). Noch vor der Sommerpause soll aus einem ersten Eckpunktepapier ein Gesetzesentwurf entstehen. Die Klausel steht in der Kritik, weil sie einen Spagat verursacht und die soziale Absicherung an die Beförderung des Strukturwandels knüpft. Schon 1979 hatte der Wissenschaftliche Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums sie als „unvertretbare Enteignung von Rentenansprüchen“ gerügt. Schärfen statt abschaffen? Die Hoffnungen bei Gegnern der Hofabgabeverpflichtung war groß, dass die politische Lage es zur Zeit möglich macht, dieses Instrument ganz abzuschaffen. Denn die SPD, allen voran ihr Agrarsprecher Wilhelm Priesmeier, hatte im Vorfeld erklärt, für eine Abschaffung zu streiten. Allerdings hatte die CDU/CSU-Fraktion genau dies stets vehement abgelehnt. So zeigte sich dann auch Marlene Mortler, Agrarsprecherin der CSU-Landesgruppe, zufrieden mit dem Ergebnis und betonte auf eine Anfrage der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Bayern ihr Anliegen: „Ziel ist es, die agrarstrukturelle Wirkung der Hofabgabeklausel zu erhalten und weiter zu schärfen, soziale Härten der Regelung aber wirkungsvoller auszuschließen, als dies bisher gelingt.“ Nach Auffassung des Arbeitskreises (AK) zur Abschaffung der Hofabgabeklausel beinhaltet das Eckpunktepapier „viel ‘heisse Luft’ und wenig Neues“. Als ein wichtiger Aspekt war festgehalten worden, dass die Rente eines Betriebsleiters bei Abgabe an den Ehegatten zukünftig nicht mehr nur befristet gewährt wird, bis dieser ebenfalls im Rentenalter und zur Hofabgabe aufgefordert ist. Dies scheint jedoch nicht so sehr eine Errungenschaft der politischen Verhandlungen zu sein, sondern eine Notwendigkeit, auf die nach Informationen des AK der Vizepräsident des Bundessozialgerichts (BGH) Prof. Rainer Schlegel während der Koalitionsgespräche hingewiesen hatte: Ein einmal erteilter Rentenbescheid kann nicht wieder entzogen werden. Widerstand vorprogrammiert Sowohl der AK als auch die AbL fordern eine komplette Abschaffung, denn alles andere sorge für Unklarheit und neue Ungerechtigkeit, wenn nur einem Teil der Landwirte je nach familiärer und betrieblicher Situation die Möglichkeit eröffnet wird, die Klausel zu umgehen. Außerdem bemerkte Andrea Eiter, Geschäftsführerin der AbL Bayern ganz grundsätzlich: „Es kann doch nicht sein, dass sozialpolitische Instrumente für das Anheizen des Strukturwandels missbraucht werden und auch noch den Bodenmarkt-Pachtwahnsinn unterstützen sollen.“ Auf Anfragen der AbL an Agrarminister der Bundesländer haben mehrere betont, den bekannt gewordenen Kompromiss nicht zu unterstützen, sondern sich über den Bundesrat für eine Abschaffung der HAK einsetzen zu wollen – darunter die grün geführten Häuser sowie Thüringens linke Agrarministerin Birgit Keller. Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) gab keine Auskunft über seine Position. Allerdings handelt es sich um kein vom Bundesrat zustimmungspflichtiges Gesetzgebungsverfahren; das heißt, es geht zunächst um eine Stellungnahme aus den Ländern und nur bei großer Unstimmigkeit um die Anrufung eines Vermittlungsausschusses. Aber es wird deutlich, dass die Diskussionen um die HAK konträr geführt werden und nun wieder auf verschiedenen Ebenen an Fahrt gewinnen. Doch warum ist dieses politische Instrument so hart umkämpft? Symbolcharakter Zum einen sorgt die persönliche Betroffenheit bei den Gegnern für besonders heftige Ablehnungsreaktionen. Die HAK wird als Ungerechtigkeit und als Betrug um eingezahlte Rentenbeiträge empfunden. Außerdem stellt sie einen Eingriff in Entscheidungen dar, was privates Eigentum – den Hof – angeht. Einzelne Änderungen können persönlichen Bedürfnissen einiger entgegenkommen, verhindern aber nicht die Benachteiligung anderer. Vor allem aber gibt der Umgang mit der Hofabgabeklausel Aufschluss über das politische Hauptaugenmerk, da sie die Wachstumsorientierung und den Strukturwandel fördert. Eine Abschaffung käme einem Wandel in der Denkweise und einem deutlichen Zeichen gleich, politisch den Erhalt der Betriebe in den Vordergrund zu stellen. Dazu braucht es neben mehr Angeboten und Beratung für Hofübergaben in aktuellen Zusammenhängen, z. B. auch an außerfamiliäre Nachfolger, vor allem insgesamt günstige agrarpolitische Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Perspektive bäuerlicher, vielfältiger Betriebe. Denn diese können und wollen beim Wettbewerb um Kostenführerschaft, „Economies of scale“ und Externalisierung von Kosten nicht mithalten.
09.06.2015
Von: cw