„Souveräne Bauern – Sichere Ernte“

Fachtagung der IG Nachbau in Berlin

In die Hauptstadt hatte sich mal wieder die Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugebühren und Nachbaugesetze aufgemacht, um inhaltlich zu debattieren. Anfang Oktober luden die IG Nachbau, Aktionsgemeinschaft
solidarische Welt und die AbL in Berlin zu der Tagung „Souveräne Bauern –
Sichere Ernte“ ein. Ein Thema war: „Ist Züchtungsfortschritt auch ohne Nachbaugebühren möglich?“ Referent Oliver Willing (Saatgutfonds Zukunftsstiftung Landwirtschaft) dazu: „Saatgut ist die Grundlage unserer
Ernährung. Jahrtausendelang wurde es weiterentwickelt, gepflegt und ausgetauscht.
Die so entstandenen Sorten sind vielfältig, lokal angepasst, fruchtbar und frei zugänglich.“ Saatgut ist Erbe der Menschheit, in vielen Kulturen heilig gehalten wurde Saatgut ein Gemeingut. Heute jedoch wird es auch als Wirtschaftsgut gesehen, als Rohstoff für Biotechnologie und für die Börse. Saatgut ist über 10.000 Jahre alt. Vor zehn Jahren hat der Fonds die Arbeit angefangen. Grund dafür war die Konzentration auf dem Saatgutmarkt. Vor 25 Jahren gab es weltweit noch 7.000 Saatgutfirmen. Keine davon hatte einen Marktanteil von über einem Prozent. Heute kontrollieren zehn Konzerne 70 Prozent des kommerziellen Saatgutverkaufs weltweit. Diese zehn Firmen sind Agrochemie- Riesen und keine herkömmlichen Züchter mehr. An der Spitze steht Monsanto, das
vor 20 Jahren noch gar nichts mit Saatgut zu tun hatte. Willing beklagte den Verlust der Vielfalt durch Hybridzucht und den Aufkauf kleiner Gemüsezüchter. Dadurch sind allein in den letzten Jahren 2.000 Gemüseliniensorten
der Allgemeinheit verloren gegangen, da sie in die Saatgutbank von Monsanto
gewandert sind. Der Saatgutfonds unterstützt über 20 ökologische und gentechnikfreie Züchtungsinitiativen ideell und finanziell. Die Züchtung einer neuen Sorte dauert mindestens zehn Jahre und kostet bis zu 600.000 Euro, deshalb ist hier auch finanzielle Unterstützung wichtig. Neben dem Erhalt alten Saatguts ist die Züchtung neuer Sorten wegen den Patentrechten, Lizenzen etc. der Saatgutmultis notwendig, wenn wir nicht bald allen Saatguts beraubt sein wollen. Aktionen wie „SOS-Save our Seeds“ zur Reinhaltung des Saatguts von gentechnischer Kontamination oder die Mitmachaktion Bantam-Mais sind weitere Tätigkeitsfelder. Der Saatgutfonds ist auf Spenden oder Fördermitgliedschaften angewiesen. Der Förderbeitrag
muss daher nicht hoch sein. Oliver Willing schloss sein Referat mit einem
Aufruf an alle: Erhalt des Saatguts ist nicht nur Aufgabe der Bauern, sondern aller Bürger. Auch kleine Spenden helfen. Ein weiterer Referent der Tagung war Gebhard
Rossmanith von der Bingenheimer Saatgut AG. „Züchtung ist ein Teil der
Landwirtschaft. Ohne Züchtung und Selektion wäre keine einzige Kulturpflanze der Menschheit entstanden“, so Rossmanith. Durch das deutliche Heraustreten der Züchtung aus der Landwirtschaft in spezialisierte Unternehmen und Firmenkonzentrationen sei nicht mehr der landwirtschaftliche Belang wesentliche Triebfeder, sondern der Unternehmensaspekt Gewinn, im Extrem bis hin zur Machtkonzentration. Dadurch stiegen die Einkommen einzelner Unternehmen, die Entwicklung des gesamten Saatgutmarkts aber werde durch die Machtkonzentration erschwert. So stellte die Bingenheimer Saatgut
AG 2004 fest, dass es schwierig war, an Blumenkohl-Saatgut von Liniensorten zu kommen. Die großen Züchter hatten auf Hybride umgestellt. Bio-Züchter hätten zukünftig
das Nachsehen. Die Bio-Kette „Alnatura“ erkannte mit der Bingenheimer
Saatgut AG das Problem und gemeinsam entwickelte man Möglichkeiten, die Zucht zu unterstützen. So sammelte Alnatura bei Käufern der Bio-Produkte ihrer Kette Geld für Züchtung und Züchtungsfortschritt. Menschen einbeziehen Man war sehr überrascht, wie viele Menschen sich an dem Fonds beteiligten. Durch die „Alnatura“ Saatgutaktion und den Kauf von Saatguttütchen konnte die Entwicklung und Erhaltung des ökologischen Saatguts von 2004 bis 2009 mit 221.000 Euro unterstützt werden. Zusätzlich kamen im Jahr 2010 bei „Alnatura“ und der Drogeriekette Buchnikowsky, die das Alnaturasortiment
auch vertreibt, insgesamt 35.000 Euro an Spendengeldern zusammen.
Dadurch, resümmierte Rossmanith, sei ein sehr wichtiger Beitrag geleistet worden, damit die Bingenheimer Saatgut AG überleben konnte. Man müsse die Menschen ansprechen, einbeziehen und ihnen die Wichtigkeit der Zucht nahebringen. Nur dadurch sei der Erhalt unserer Vielfalt zu schützen. 12 Millionen Euro gibt das Bundesforschungsministerium momentan für Biotechnologie in der Pflanzenzüchtung aus. Der Betrag soll im Herbst diesen Jahres auf 85 Millionen Euro aufgestockt werden, um dann im nächsten Jahr auf
140 Millionen Euro festgesetzt zu werden. Dieses Geld müsste stattdessen zum größten Teil an die Züchter von Linien-, Land und Erhaltungssorten vergeben werden. Der Erhalt der Biodiversität muss auch ein Anliegen des Staates sein!
01.11.2010
Von: Unabhängige Bauernstimme, Gerhard Portz