GV-Lachs in den USA: Essen ja, Aufzucht ausgelagert

Erstmals wurde in den USA ein gentechnisch verändertes Tier zum menschlichen Verzehr zugelassen – Vermehrung und Aufzucht der GV-Lachse wurden jedoch in den USA nicht erlaubt

Zwanzig Jahre musste der gentechnisch veränderte „AquAdvantage“-Lachs auf seine Zulassung warten. Im November 2015 gab die zuständige US-Behörde für die Zulassung von Lebensmitteln und Medika­menten (FDA) nach langem Zögern grünes Licht – mit Einschrän­­kun­gen: Der Gentechniklachs darf zwar in den USA als Lebensmittel verkauft und verzehrt werden, Vermehrung und Aufzucht wurden hingegen ausgelagert. In einer speziellen Anlage auf Prince Ed­ward Island in Kana­da sollen fruchtbare weibliche Lachse sterile Eier produzieren. Diese werden dann nach Panama verschifft, wo sie in Anlagen auf dem Festland auswach­sen sollen. Auch die Verarbei­tung soll in Panama stattfinden, bevor der GV-Lachs zum Verkauf in die USA gebracht wird. Der GV-Lachs soll ganzjährig Wachstumshormone erzeugen, was ihn nach Angaben von AquaBounty dop­pelt so schnell wachsen lässt wie herkömmlichen Lachs. Ihm sind Gene von einem nicht verwandten pazifischen Chinook-Lachs und der amerikanischen Aalmutter eingebaut worden. Erstere synthe­tisieren ein Wachstumshormon, zweitere sorgen dafür, dass die Wachstumshormone auch in kälteren Monaten produziert werden und der Lachs so ganzjährig wachsen kann. Der GV-Lachs verspricht höhere Produk­tionsraten für industrielle Fischfarmen und einen geringeren Ressourcenverbrauch. Aquakulturen stehen wegen ihrer erheblichen Umweltauswirkungen stark unter Kritik (s. Kasten), dies Image will AquaBounty jetzt aufbessern. Ökologische Risiken Das Centre for Food Safety (CFS) hat eine Klage gegen die unzureichende Überprüfung des GV-Lachses durch die FDA eingereicht und verlangt einen Stopp der Zulassung. Es sieht ernsthafte Gefahren für die Wildpopulation von Fischen und die maritime Umwelt. Jedes Jahr entwei­chen etwa zwei Millionen Lachse aus offenen Netzgehegen in den Nordatlantik, die sich mit der Wildform paaren und deren Genetik verändern. Lachs legt aufgrund seiner Biologie sehr weite Wege zurück. Auch in geschlossenen Fischfarmen können technisches Versagen oder Natur­ereignisse nicht ausgeschlossen werden. Um ein Auskreuzen der Gentech­nikfische zu vermeiden und um die Fischbestände zu kon­trollieren, gibt AquaBounty an, dass nur sterile Lachsweib­chen erzeugt werden. Allerdings sind Fische dafür bekannt, dass sie v. a. bei Stress ihr Geschlecht ändern können. „Es gibt keine hundertprozentige Metho­de, Sterilität zu erzeugen“, so das CFS. Auch die von AquaBounty bei der FDA eingereichten Studien zeigen, dass in sechs von 20 Lachspartien keine hundertprozentige Sterilität erzeugt wurde. Um weitere Nachkom­men erzeugen zu können, müssen aber auch fruchtbare Lachse gehalten werden. Das soll ebenso auf Prince Edward Island geschehen – in geschlossenen Landanlagen, aber inmitten des Gebietes, wo der bedrohte Atlantische Wildlachs noch in 22 Flüssen vorkommt. Der U.S. Fish and Wildlife Service, eine dem US-Innenministerium unterstellte Behörde, kritisiert die Umweltverträglichkeitsprüfung der FDA als zu simpel: So wurden die Möglichkeiten der Kreuzung mit Wildlachs und der nah verwandten Bachforelle sowie Gefahren der Krankheits­verbreitung nicht angemessen untersucht, genauso wenig wie die Ressourcenkonkurrenz oder Störung ökologischer Lebensräume. Gesundheitliche Risiken Zu den gesundheitlichen Folgen des Verzehrs von GV-Lachs gibt es nur spärliche Daten, Langzeitwirkungen sind nicht untersucht worden. Studien zeigen aber, dass transgener Fisch anfälliger für Krankheiten ist als herkömmliche Aquakulturen. Dies könnte zu erhöhtem Medikamenten- und Antibiotikaeinsatz führen. Schon jetzt werden in der Lachszucht bezogen auf das Gewicht mehr Antibiotika eingesetzt als bei anderen Nutztieren. In den USA ist die FDA für die Zulassung von Gentechniktieren verantwortlich. 2009 sind Zulassungsrichtlinien für GV-Tiere in Kraft getreten. Die FDA prüft die neu eingeführten Gene als „Veterinary drug“, als Tierarzneimittel, aber nicht den ganzen Fisch als Lebens­mittel. Eine unzureichende Ausein­an­dersetzung mit den Sicherheitsrisiken, finden Kritiker. Zudem sei die FDA nicht qualifi­ziert, Umwelt­prüfungen vorzunehmen. Ende 2012 erklärte die FDA den GV-Lachs für „genauso sicher“ wie herkömmlichen Lachs. Darauf folgte eine öffentliche Anhörung. Knapp zwei Millionen Menschen sowie 300 Umwelt-, Verbraucher-, Gesundheits- und Tierschutzorganisa­ti­onen, aber auch Fischereizusam­menschlüsse, Lebensmittelunternehmen, Köche und Restau­rants haben in Briefen ihre Bedenken gegenüber der FDA geäußert. Die FDA ignorierte diese Einwände. Da sie keinen Unterschied zu herkömmlichem Lachs sieht, muss der GV-Lachs auch nicht gekennzeichnet werden. Kennzeichnung? Parallel zur Lachszulassung hat die FDA eine neue Richtlinie zur freiwilligen Kennzeichnung von Lebens­mitteln „ohne Gentechnik“ und „mit Gentechnik“ erlassen. Diese freiwillige Kennzeichnung sei beim Premiumprodukt „Atlantic Salmon“ aber nicht vorgesehen, erklärte der Chef von AquaBounty. Wer steckt dahinter? AquaBounty gehört zu 60 % der Firma Intrexon. Deren Besitzer Ronald J. Kirk ist Milliardär und kauft seit Jahren Biotech-Unternehmen auf. So gehört Intrexon die Firma, die GV-Äpfel entwickelt hat, die nicht braun werden sollen, sowie Oxitec, eine englische Firma, die GV-Motten und -Moskitos entwickelt hat, aber auch TransOva, das einzige US-Klon-Unternehmen. Auf dem „ersten Weltgipfel der Bioökonomie“ erklärte der Vizepräsident von Intrexon, dass sie planen, 74 Mrd. Hühnereier, die jedes Jahr in amerikanischen Haushalten verbraucht werden, künftig mit gentechnisch optimierten Zellkulturen in Bioreaktoren zu erzeugen. Widerstand Ob und wann der GV-Lachs auf die US-Teller kommt, ist offen, denn die meisten großen US-Lebensmit­telketten haben laut CFS angekündigt, den GV-Lachs nicht zu verkaufen, darunter Albertsons, Safeway, Costco, Trader Joes, Red Lobster. Auch in Kanada stößt der GV-Lachs auf Kritik. Umwelt­organi­sa­tionen haben die kanadische Regierung wegen der Auskreu­zungs­gefahr des GV-Lachses mit dem Atlantischen Wildlachs verklagt. Es sei ein „großes Lebendexperiment“ und könnte das Erbgut des Wild­lachses unwiderruflich verändern. Die Regierung von Panama hat bislang die kommerzielle Aufzucht des GV-Lachses nicht zugelassen, lediglich zu Forschungszwecken. Kasten: Aquakulturen haben in den letzten Jahren rasante Steigerungsraten erfahren. Insbesondere in asiatischen Ländern wie China, Indien, Indonesien. Schon heute wird ca. 50 % des weltweit verzehrten Speisefisches in Süßwasser- oder Meereszuchten erzeugt, Anteil weiter steigend. Die Fischproduktion in Aquakulturen bringt erhebliche Probleme für die Umwelt mit sich: Ein Großteil findet in offenen Systemen statt (z. B. Netzgehegen, die im Meer hängen). Absinkendes Futter und Fäkalien verschmutzen den Meeresboden unter den Gehegen. Durch die Haltung vieler Tiere auf engem Raum können sich Krankheiten, aber auch Pilze schnell verbrei­ten. Daher werden Antibiotika, Medikamente, Pestizide, Fungizide, Chemikalien sowie Hormone eingesetzt. Der Boden unter den Käfigen ist oft hoch belastet mit den Rückständen aus den Zuchten. Aber auch bei Teichanlagen an Land sammeln sich Rückstände, die dann die Böden oder das Grundwasser ver­schmutzen können. Aquakulturen sollen beispielsweise die Meeresüberfischung senken. Allerdings wird zur Fütterung der Aquakulturen Wildfisch gefangen, der zu Fischmehl und Öl verarbeitet wird. Hinzu kommen ein hoher Energie- und Wasserbedarf für entsprechende Wasserqualität und regulierte Temperaturen sowie die Belastung von Wildpopulationen, da immer wieder Fische entkommen und so ihr verändertes Erbgut in die wilden Verwandten eintragen. Krankheiten aus den Farmen können auf Wildpopulationen übertragen werden. Auch die Aufzucht in Binnengewässern führt zu Gefahren in Seen und Flüssen und an Flussmündungen.
03.01.2016
Von: Annemarie Volling