In der Hauptrolle – Bäuerinnen und Bauern

Kommentar

Bislang kenne ich nur das Gefühl, die Demonstration „Wir haben Agrarindustrie satt!“ mit zu organisieren, selbst mit dem Trecker gefahren bin ich noch nie – ich hatte keinen. Deswegen war mein bisheriges Highlight der Demo immer der Moment, in dem ich nach Monaten der Vorbereitungen zum ersten Mal das Geräusch eines Traktors in Berlin gehört habe, der anrollte, um diejenigen auf der Demonstration zu vertreten, um die es mir geht – die Bäuerinnen und Bauern. Und es ging nicht nur mir so. Das ganze Vorbereitungsteam der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ bekommt Gänsehaut, wenn es einen Traktor sieht, der in Richtung Demo unterwegs ist. Denn Bäuerinnen und Bauern sind die Hauptpersonen auf dieser Demonstration, ihre tägliche Arbeit auf den Höfen wird wertgeschätzt und ihre Mühe, sich mit dem Traktor auf den Weg nach Berlin zu machen, wird bewundert und unterstützt. Und deswegen sei an dieser Stelle eines ganz klar gesagt: Alle Personen oder Verbände, die Gegenteiliges behaupten, haben sich entweder noch nicht mit der Demonstration beschäftigt oder sagen bewusst die Unwahrheit. Unverantwortlich ist die Behauptung, „Wir haben es satt!“ sei bauernfeindlich, in beiden Fällen. Denn das Demobündnis steht für genau das, was wir in Zukunft brauchen: eine gesellschaftlich getragene und akzeptierte Landwirtschaft, in deren Mitte Bäuerinnen und Bauern die handelnden Personen sind, nicht wenige multinationale Konzerne. Politische Stellschrauben, um dieses zu erreichen, gibt es zur Genüge, sowohl utopische als auch realpolitische. Sicher ist: Deutschland sollte seinen nationalen Spielraum in der gemeinsamen Agrarpolitik zur extra Förderung der ersten 46 Hektare je Betrieb endlich komplett ausschöpfen. Die Stallbauförderung für industrielle „Stallungen“ gehört abgeschafft und wirklich Tierwohl fördernde Maßnahmen wie Weidegang für Kühe oder Stroheinstreu und Auslauf für Schweine gehören stattdessen honoriert. Dass unser Bundeslandwirtschaftsminister sich nach wie vor nicht für ein bundesweites Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen sowie gegen überschussbegrenzende Instrumente auf dem Milchmarkt einsetzt, kann, gelinde ausgedrückt, als unwürdig bezeichnet werden. Ein Skandal ist die Tatsache, dass immer noch Billiglebensmittel aus den Industrienationen auf die Märkte der Länder des globalen Südens gelangen. Doch lähmt mich dieses scheinbar seit Jahren unverbesserliche Verhalten einiger weniger Betonköpfe in Berlin und beim Deutschen Bauernverband? Nicht im Geringsten! Ich bin darauf eingestellt, dass wir noch viele Jahre für unsere Anliegen streiten müssen, bis wir uns durchgesetzt haben. Aber wir werden uns durchsetzen – da bin ich mir sicher. Denn wir haben den stärksten Verbündeten, den man sich wünschen kann – eine große gesellschaftliche Bewegung für Bauernhöfe statt Agrarfabriken. Eine Bewegung, die sich trotz vielfacher Versuche der Gegenseite nicht auseinander dividieren lässt. Die Unterschiede aushält und ihre Vielfalt als Chance begreift. Und nicht zuletzt eine Bewegung, in der ich mich als Bauer wohl fühle und für die ich gerne streite und aktiv bin – komme, was da wolle. Und so werde ich in diesem Jahr zum ersten Mal als Bauer an der Demo teilnehmen. Dass ich mit dem Traktor komme, ist selbstverständlich – schließlich habe ich jetzt einen.
03.01.2016
Von: Phillip Brändle, AbL-Bundesvorstand und Bauer auf dem Reyerhof Stuttgart

Phillip Brändle, AbL-Bundesvorstand