AbL zum Entwurf der Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutzmittelanwendungsverordnung des BMEL

Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. ist der sich immer weiter verschärfende ordnungsrechtliche Rahmen bei gleichbleibend schwachen Erzeugerpreisen und einer auf Export, Intensivierung und Spezialisierung ausgerichteten gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) für viele landwirtschaftliche Betriebe zunehmend frustrierend und wirtschaftlich nicht zu stemmen. Dies zeigen auch die anhaltenden Proteste vieler Bäuerinnen und Bauern, die in weiten Teilen auf das Agrarpaket der Bundesregierung und das darin enthaltene Insektenschutzgesetz
zurückgehen. Die agrarpolitischen Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte dürfen nicht durch kurzfristige ordnungsrechtliche Maßnahmen zulasten bäuerlicher Betriebe kompensiert werden, sondern bedürfen einer langfristigen gesamtgesellschaftlichen Strategie, die sowohl die Situation der Bäuerinnen und Bauern als auch die Erfordernisse für Natur und Umwelt gleichermaßen berücksichtigt. Der „Niedersächsische Weg“ ist aus Sicht der AbL hierfür ein Vorbild, welches vom Verordnungsentwurf nicht konterkariert werden darf.

Die AbL fordert die Bundesregierung und das BMEL auf, eine langfristige Pflanzenschutzmittelreduk-tionsstrategie zu erarbeiten, welche die Bäuerinnen und Bauern wirtschaftlich und beratend
begleitet und die sowohl den ökologischen als auch den sozialen Zielen der Zukunftsstrategien der EU (Green Deal, Farm to Fork-Strategie und EU-Biodiversitätsstrategie 2030) gerecht wird. Die anstehende Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik sowie die laufenden Gespräche der
Zukunftskommission Landwirtschaft bieten hierfür eine große Chance, die genutzt werden muss.  
Die AbL sieht die Überschreitung ökologischer Grenzen, insbesondere im Bereich der Biodiversität, mit großer Sorge und begrüßt die Einführung eines Gesetzes zum Schutz der Insektenvielfalt (hier Entwurf einer Fünften Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung) im Grundsatz. Für die AbL ist allerdings auch klar, dass es nicht zielführend ist, Deutschland und Europa in „Schutz- und Schmutzgebiete“ zu unterteilen, die entweder landwirtschaftlich hochintensiv genutzt oder zum Ausgleich streng geschützt werden. Ziel muss es vielmehr sein, die ganze Breite des Agrarsystems so zu organisieren, dass dieses flächendeckend ökologisch verträglich wirtschaftet, und gleichzeitig möglichst vielen landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftliche Zukunft bietet. Wie dies gelingen kann, wurde von der AbL in ihrer jüngsten Veröffentlichung zum Schutz der biologischen Vielfalt im Kontext der GAP ausführlich beschrieben. Einen besonderen Wert, gerade für den Artenschutz, sieht die AbL in einer vielfältigen Agrarstruktur mit vielen und diversen landwirtschaftlichen Betrieben und der damit verbundenen hohen Anzahl an Randstrukturen, Landschaftselementen und geringen Schlaggrößen, wie sie auch von Prof. Dr. Tsch-arntke von der Universität in Göttingen in einer Studie  nachgewiesen wurde. Gesetzesänderungen, die zur Aufgabe weiterer landwirtschaftlicher Betriebe führen, müssen aus Sicht der AbL dementsprechend dringend vermieden werden.
Für den Schutz der Biodiversität bietet, wie bereits angedeutet, die aktuelle Reform der europäischen Agrarpolitik (GAP) aus Sicht der AbL eine große Chance. Dies gilt insbesondere für die von der europäischen Kommission (KOM) vorgeschlagenen Eco-Schemes der 1. Säule, welche es Bäuerinnen und Bauern erstmalig möglich machen, mit wirksamen Maßnahmen, auch im Bereich des Arten-schutzes, Geld zu verdienen. Die AbL fordert die Bundesregierung und das BMEL deswegen auf, sich sowohl in den laufenden Trilogverhandlungen als auch innerhalb der nationalen Ausgestaltung für einen Mindestanteil von 30 Prozent für die Eco-Schemes der 1. Säule einzusetzen, welches jährlich ansteigt. Zudem ist innerhalb der Eco-Schemes ein Punktesystem zu etablieren wie es sowohl von der AbL als auch Verband Deutscher Landschafspflege (DVL) vorgeschlagen wurde. Die kommende
Förderperiode der GAP ist zu nutzen um einen Systemwechsel einzuleiten – weg von weitestgehend pauschaler Flächenförderung, hin zu einer einkommenswirksamen Entlohnung von Gemeinwohl-
leistungen. Die kommende AMK ist diesbezüglich zu nutzen.

Die AbL nimmt im Detail zum Verordnungsentwurf wie folgt Stellung:

Zu den Anwendungsbedingungen des Wirkstoffes Glyphosat (§ 3b sowie Begründung)
Die AbL begrüßt das im Verordnungsentwurf genannte Ausstiegsdatum für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat am 1. Januar 2024 und vertritt die Position, dass die Bundesregierung
dieses im Verordnungsentwurf rechtssicher verankern muss - auch für den Fall einer Wiederzulassung auf EU-Ebene. Ein diesbezüglich klares Bekenntnis der Bundesregierung und des BMEL fehlt im Verordnungsentwurf und muss aus Sicht der AbL noch eingearbeitet werden. Ebenfalls müssen für
Bäuerinnen und Bauern aus Sicht der AbL in Bezug auf die Anwendung von Totalherbiziden aller
anderen Wirkstoffgruppen Anreize geschaffen werden, um auf deren Nutzung künftig verstärkt zu verzichten, z.B. im Zuge der nationalen Ausgestaltung der sogenannten Eco-Schemes der GAP.

Die im Verordnungsentwurf genannten Anwendungsbeschränkungen für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat, bis zum Komplettausstieg, werden von der AbL im Grundsatz begrüßt. Die genannten Ausnahmen der Anwendungsbeschränkungen (§3b, Absatz 2, 3 und 4) sieht die AbL in weiten Teilen kritisch.

Die in Absatz 2 beschriebenen vorbeugenden Maßnahmen sind in ihrer Definition aus Sicht der AbL deutlich zu unpräzise, um einen Ausnahmetatbestand zu beschreiben und müssen weitreichend überarbeitet werden. So ist beispielsweise der Begriff einer „geeigneten Fruchtfolge“ mindestens mit einer klar beschriebenen Anzahl an Fruchtfolgegliedern zu unterlegen.

Die in Absatz 3  beschriebenen Ausnahmeregelungen für Mulchsaatsysteme müssen aus Sicht der AbL gestrichen werden. Hintergrund ist, dass entsprechende landwirtschaftliche Betriebe bereits heute über eine technische Ausstattung verfügen, die es möglich macht, auf den Einsatz von
Glyphosat zu verzichten. Anders stellt sich die Situation für Betriebe mit Direktsaattechnik dar, denen ggf. noch keine mechanischen Alternativen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat zur Verfügung stehen. Die AbL unterstützt dementsprechend die im Verordnungsentwurf genannte Ausnahmeregelung im Bereich Direktsaat, da diese den entsprechenden Betrieben bis zum Komplettausstieg eine Übergangsphase einräumt.

Die in Absatz 4 genannten Ausnahmeregelungen für eine flächige Anwendung von Glyphosat auf Grünland wird in dieser Form von der AbL aufgrund des ausreichenden Vorhandenseins von
mechanischen Alternativen abgelehnt. Für die im Entwurf unter 4.2 beschriebene Ausnahmeregelung für besonders erosionsanfällige Flächen, schlägt die AbL stattdessen eine einzelbetriebliche bzw.
flächenspezifische Prüfung durch die jeweils zuständige Behörde vor, welche ggf. eine entsprechende Genehmigung erteilt oder versagt.

Die AbL spricht sich dafür aus, analog zu dem im Verordnungsentwurf angesprochenen Glyphosat-ausstieg, auch weitere besonders schädliche Pflanzenschutzmittel einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und diese ggf. nicht erneut zuzulassen oder deren Anwerbung zu verbieten. Entsprechende Verbote sind in die von der AbL geforderte Pflanzenschutzmittelreduzierungsstrategie
einzubetten. Weiterhin sind die Kontrollbehörden zur Einhaltung der guten fachlichen Praxis bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu stärken.

Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Gebieten mit Bedeutung für den Naturschutz (§ 4)
Wenngleich die AbL dem grundsätzlichen Anliegen der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln zum Schutz der biologischen Vielfalt zustimmt und sich ausdrücklich für eine grundsätzliche Pflanzen-schutzmittelreduktionsstrategie ausspricht,  lehnt sie die im Verordnungsentwurf vorgesehene
Einführung eines Verbotes von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten in dieser Form ab. Diese Ablehnung begründet sich vor allem auf den im Verordnungsentwurf fehlenden Kompensationszah-lungen sowie der damit verbundenen Ungleichbehandlung landwirtschaftlicher Betriebe.

Weiterhin spricht sich die AbL klar gegen eine Unterteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche in „Schutzgebiete“ einerseits und „Schmutzgebiete“ andererseits aus. Eine flächendeckende Extensivie-rung ist sowohl aus bäuerlicher Perspektive als auch aus Perspektive des Schutzes der biologischen Vielfalt deutlich zielführender. Zudem dürfen landwirtschaftliche Betriebe, die in Schutzgebieten wirtschaften und damit z.T. schon heute höheren Auflagen unterliegen als andere, ohne dafür eine besondere Honorierung zu erfahren, nicht noch weiter belastet werden. Das Gegenteil wäre richtig – es bedarf einer Honorierung.
Das im Verordnungsentwurf vorgesehene Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten würde auch Sicht der AbL zudem ggf. in Teilen zu einer Konterkarierung des ökologischen Landbaus führen. Hintergrund ist, dass bei Umsetzung der Verordnung, Teile der im ELER förderfähigen EU-Ökoverordnung zum ordnungsrechtlichen Mindeststandard würden. Konventionellen Betrieben in Schutzgebieten würde somit eine Umstellung auf ökologischen Landbau erschwert oder ggf.
unmöglich. Andersherum würde Öko-Betrieben mit Flächen in einem Schutzgebiet ein Teil der Öko-prämie verloren gehen. Beides muss verhindert werden.
Die AbL spricht sich dafür aus, in die Ausnahmegenehmigungen dieses Abschnittes (§ 4a, Absatz 2) auch den Fall von Kalamitäten (durch außerordentliches Aufkommen von Schädlingen, Hagel, Sturm o.ä. hervorgerufener schwerer Schaden in Pflanzenkulturen) aufzunehmen. Nur so lässt sich in
Ausnahmesituationen eine sinnvolle und wirtschaftlich tragfähige Bewirtschaftung gewährleisten.

Verbot von Pflanzenschutzmitteln an Gewässern (§ 4a)
Das Anliegen der Reduktion oder des Verzichtes von Pflanzenschutzmitteln an Gewässern wird von der AbL im Grundsatz begrüßt. Das im Verordnungsentwurf vorgeschlagene Vorgehen wird von der AbL in dieser Form gleichwohl abgelehnt, da weder Kompensationszahlungen vorgesehen sind noch getroffene Einigungen, wie z.B. die des „Niedersächsischen Weges“, ausreichend berücksichtigt wer-den.

Die AbL fordert die Bundesregierung und das BMEL auf, sich die zwischen den Interessen des
Naturschutzes und der Landwirtschaft getroffene Einigungen zu Gewässerrandstreifen des „Nieder-sächsischen Weges“ zu eigen zu machen. Diese sieht für Gewässer 1. Ordnung im Grundsatz Rand-streifen von 10 m, bei Gewässern 2. Ordnung von 5 m und bei Gewässern 3. Ordnung Randstreifen von 3 m vor. Weiterhin sind Kompensationszahlungen anhand einzelbetrieblicher Bedarfe, wie z.B. Pachthöhe oder Futterbedarf, ebenso vorgesehen wie Ausnahmeregelungen für besonders betroffene Betriebe mit einer hohen Gewässerdichte. Eine sinnvolle und ökonomisch tragfähige Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzfläche ist somit auch weiterhin möglich.

In dem vorgelegten Verordnungsentwurf ist mindestens eine Länderöffnungsklausel aufzunehmen, um die wichtigen, sowohl bestehende als auch ggf. zukünftige, Vereinbarungen einzelner Bundesländer (z.B. „Niedersächsischer Weg“) nicht zu konterkarieren. Vielmehr müssen entsprechende ge-samtgesellschaftliche Einigungen weiter gefördert und unterstützt werden.