Ackerland beim Discounter

Schon seit Ende der 90er Jahre haben gerissene Unternehmer das Potential von LPG-Nachfolgeunternehmen in den ostdeutschen Bundesländern erkannt. Letztlich noch aus der Landwirtschaft kommende wie Siegfried Hofreiter oder Jürgen Lindhorst stiegen früh ein und kauften Betrieb um Betrieb. Liquiditätsengpässe, Managementfehler oder Geldbedarf bei den Gesellschaftern ermöglichten ihren Einstieg. Später kamen die Investoren, die ihr Geld in der Möbelbranche, als Brillenhersteller, als Entsorger oder sonst wo gemacht haben. Dem Geldadel fehlte das wertbeständige Investment im Anlageportfolio. Als dann nach dem Bankenzusammenbruch im Jahr 2007 die Kernschmelze des Geldwesens drohte, war sich auch der Letzte im Klaren: Die goldene Scholle bringt Sicherheit. Zudem ist dank der Geldschwemme und der Null-Zins-Politik in der Euro-Zone billiges Geld schier grenzenlos verfügbar. In den alten Bundesländern, so groß sie auch sind, lassen sich Millionenbeträge schwer anlegen, eigentlich gar nicht. Der Adel verkauft nicht und ein erbenloser Betrieb mit 100 oder 200 Hektar ist für richtige Anlagen doch zu klein. Zudem ist der Betriebskauf kompliziert. Felder, Gebäude, Maschinen, sonstiges Inventar, alles muss protokolliert und notariell übertragen werden. Und die Landverpächter können dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung machen. Da kam der Osten gerade richtig. Man kauft die Geschäftsanteile einer Agrar-GmbH, einer Genossenschaft oder einer Aktiengesellschaft und schon ist man im Besitz der Eigentumsflächen, des Pachtlandes und des gesamten betrieblichen Inventars. Das Beste daran: Keine Behörde prüft bislang solche Verkäufe, denn die Bodengesetzgebung ist hier noch auf dem Stand ihrer Gründung vor einhundert Jahren. Der Deal Discounter-König Theo Albrecht mag mit Aldi-Märkten viel erreicht haben. Aber in puncto Anlage in Land kam er sehr spät in die Gänge. Umso beeindruckender ist, dass es ihm in kaum mehr als einem Jahr gelungen ist, an vier Standorten Betriebe mit rund 9.500 Hektar Pacht- und Eigentumsland in seinen Besitz zu bekommen. Dass ihm dabei ausgerechnet der wohl prominenteste ostdeutsche Bauernverbandspräsident, zugleich Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Thüringer Verdienstordens, behilflich war, hat nicht wenigen die Sprache verschlagen. Seit Jahrzehnten sieht sich der landwirtschaftliche Berufsstand dem Preisdruck vor allem der Discounter ausgesetzt. Als Preisnehmer blieb den Betrieben kaum mehr als immer mehr aus den Ställen und den Äckern herauszuholen mit den bekannten Folgen für den Tierschutz und die Umwelt. Die Bauern aller Couleur gehen in Berlin oder andernorts gegen den Preisverfall auf die Straße und fast zeitgleich verkauft einer der ehemaligen Spitzenfunktionäre der deutschen Bauernverbände seinen Betrieb an eben solch einen Discounter. Ganz groß Dabei ist die ADIB – die Buchstabenkonstellation steht für „Agrar-, Dienstleistungs-, Industrie- und Baugesellschaft GmbH“ und ist aus den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im Süden des Kreises Bad Langensalza hervorgegangen – nicht irgendein Betrieb. Klaus Kliem, zu DDR-Zeiten Vorsitzender einer der dortigen LPGs führte maßgeblich die Regie bei der Gründung der ADIB, einer Holding, die sich aus verschiedenen Tochtergesellschaften zusammensetzt. In einer Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel aus dem Jahr 1997 ist nachzulesen, wie auch in Langensalza in den Nachwendezeiten die Mitglieder der Alt-LPGs billig abgespeist wurden. Das Thüringer Oberlandesgericht urteilte später, Kliem habe „keine ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung durchgeführt“. Mit 4.000 Hektar war der Betrieb des inzwischen zum thüringischen Bauernverbandspräsidenten aufgestiegenen Kliem schon einer der ganz großen im Osten, aber er wollte den größten haben. Ohne Skrupel versuchte er im Jahr 2008 den Gesellschaftern des 3.000 Hektar großen Nachbarbetriebes unter der Hand ihre Anteile abzukaufen. In letzter Sekunde konnten die Geschäftsführung die Gesellschafter überzeugen, nicht an Kliem zu verkaufen. Einen Interessenskonflikt in seiner Funktion als damaliger Präsident des Thüringer Bauernverbandes hat er darin nicht gesehen, bot aber dem Präsidium seinen Rücktritt an. Dazu kam es allerdings nicht, Kliem blieb. Als Spitzenfunktionär gut vernetzt, konnte er später zwei Betriebe in Geithain, Sachsen, und im Thüringer Wald kaufen, sodass er auf diese Weise doch noch an 3.500 ha Pacht- und Eigentumsland gelangte. Aber auch Klaus Kliem ist unternehmerisch nicht unfehlbar. Nachdem er jüngere Manager durch Bevormundung vergrault hat, ging es mit der ADIB wirtschaftlich bergab. Hinzu kamen schwere Missstände in der Sauenhaltung. Für alles trug er die persönliche Verantwortung, denn mit fast 53 % der Geschäftsanteile hatte er mit seiner Familie als Mehrheitsgesellschafter wirklich alles in der Hand. Quasi zur Ablösung größerer Bankdarlehen der ADIB verkaufte Kliem 2019 die Geithainer Landwirtschaftsgesellschaft mit gut 1.500 Hektar an die Lucas-Stiftung der Familie Albrecht. Das Geschäft lief über ein Geflecht von Tochtergesellschaften. Trotzdem war das mediale Aufsehen groß. Nachdem der Deal mit Aldi in Geithain geklappt hatte, war der Käufer für die ADIB quasi gefunden. Auch wenn Kliem selbst die Verhandlungen nie bestritten hat, für wirklich möglich hat den Verkauf keiner gehalten. Von den 28 Millionen Euro Nettoerlös sind mehr als 14 Millionen in seine eigenen Taschen geflossen. Dabei ist das nicht viel Geld für die 6.000 Hektar Pacht- und Eigentumsland, auch wird durch den Kauf das Discounter-Unternehmen viele Probleme der Holdingtöchter mit übernehmen müssen. Nur die Schweineproduktion wollte man bei ALDI nicht. Selbst für die smarten Leute der PR-Abteilung wäre das wohl eine zu große Problemzone. Die Betriebsteile Sauen- und Schweinemast wurden daher noch 2019 mit 4,5 Millionen außerordentlichem Bilanzverlust an einen Großmäster verkauft. Unnötig und ärgerlich Noch Ende 2019 nach dem ersten Deal stellte der Thüringer Bauernverband sich vor seinen Ex-Präsidenten und betonte: „In unserem Land hat jeder Mensch das Recht, sein Eigentum zu verkaufen, wann und an wen er möchte.“ Dass Eigentum zugleich zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden soll, stand nicht in der Mitteilung. Nun nannte er den großen Coup in einer Stellungnahme „ärgerlich“ und „unnötig“. Man hätte sich gewünscht, dass das Unternehmen in den Händen von Thüringer Landwirt*innen verbleibe. Ob ein Agrarstrukturgesetz, wie es jetzt einmal mehr gefordert wäre, halte, was es verspreche, und nicht womöglich verfassungswidrig sei, sei nicht sicher. Die ostdeutschen Bauernverbände konnten bislang, teilweise mit Unterstützung der Landtagsabgeordneten, erfolgreich eine Regulierung des Bodenmarktes und der Anteilsverkäufe verhindern, sodass selbst versierte Landwirtschaftsminister mit ihrem Gesetzesvorhaben gescheitert sind. Falsche GAP Drei Millionen Euro jährlicher Flächenbeihilfen landen nun bei der Familie Albrecht. Damit muss sich auch das Bundeslandwirtschaftsministerium auseinandersetzen, wenn es um die nächste Agrarreform geht. Auf dessen Agenda gehört auch die Frage, warum jedes Tochterunternehmen einer Investorenholding und ebenso deren Tochtergesellschaften so gefördert werden, als wären sie alle wirtschaftlich eigenständige Betriebe. Alles in allem muss man Klaus Kliem wirklich dankbar sein, dass er dieses für die neuen Bundesländer so wichtige agrarpolitische Thema wieder in den Fokus gerückt hat, denn die Sache schien sich leer gelaufen zu haben. Bleibt zu hoffen, dass die Politik ernsthafte Schritte unternimmt, damit es nicht noch einmal heißt: „Ackerland zum Aldi-Preis.“
01.09.2020
Von: Rainer Künast, AbL-Mitteldeutschland

Immer mehr Land in Investorenhand Foto: KarachoBerlin