CIBUS-Raps ist Gentechnik und kommt nicht auf den Acker

Nach EuGH-Urteil: Bundesamt muss Rechtsauffassung zu neuen Gentechnik-Verfahren revidieren

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat aktuell einen Bescheid zurückgenommen, in dem es 2015 einen mit einem neuen Gentechnik-Verfahren hergestellten herbizidresistenten Raps der Firma CIBUS nicht als Gentechnik im Sinne des Gentechnikgesetzes eingestuft hatte. Gegen diesen Bescheid des BVL hatte ein Bündnis aus zahlreichen Landwirtschafts-, Umwelt- und anderen zivilgesellschaftlichen Verbänden mit Saatgut-Initiativen und betroffenen Unternehmen unter Koordination der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Widerspruch und Klage erhoben.

 „Die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebens­mittelsicherheit (BVL) zum CIBUS-Raps ist ein Erfolg für die gentechnikfreie Saatgutzüchtung, Landwirtschaft und Lebensmit­tel­erzeugung. Es lohnt sich, nach wissenschaftlichen und recht­li­chen Maßstäben Ent­schei­dun­gen der Bundesämter und der Bundesregierung zu hinter­fra­gen. Ohne den Wider­spruch und die Klage von Verbänden und Unternehmen wäre der Gentechnik-CIBUS-Raps, der mit einem der neuen Gen­technik-Verfahren erzeugt wurde, ohne Auf­lagen und ohne Trans­pa­renz freigesetzt oder angebaut worden. Aufgrund des jüngsten Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), demzufolge neue Gentechnik-Verfahren als Gentechnik reguliert werden müssen, musste das Bun­des­amt seinen verantwor­tungs­losen Testballon zurück­ziehen“, kommentiert Elisabeth Waizenegger, Bäuerin aus Legau im Allgäu und Vorstandsmitglied der Arbeits­gemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

Die Verbände und Unternehmen legten Wider­spruch mit dem Argument ein, dass das zur Erzeugung des Rapses ver­wen­­de­te RTDS-Verfahren (s. Hintergrund) nach dem Gentech­nik­gesetz zu regulieren ist. Zudem ist das BVL für diese Entscheidung gar nicht zustän­dig, sondern die Europäische Kommis­sion. Trotz Auffor­derung der Verbände kam das Bundes­land­wirt­schafts­ministerium seiner Aufsichtspflicht nicht nach und ließ das BVL gewähren. Im Juni 2015 wies das BVL den Wider­spruch ab, woraufhin eine konventionelle Ölmühle, ein biolo­gi­scher Saatgut­züchter und der BUND Klage beim Verwaltungsgericht Braun­schweig einreichten, um zu klären, ob der RTDS-Raps nach Gentechnikrecht zu regulieren ist. Durch diese Klage konnte die drohende Freisetzung beziehungsweise der Anbau des Gentechnik- Rapses verhindert werden.

Gebhard Rossmanith, Vorstands­vorsit­zender der Bingen­hei­mer Saatgut AG und einer der Kläger: Wir begrüßen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und die folge­richtige Aufhebung des BVL-Bescheids. Für gentechnikfreie ökologische und konventionelle Züchter ist die Regulierung von Gentechnik eine Mindestanforderung, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, unser Saatgut und unsere Zucht­li­nien gentechnikfrei zu halten. Viele Kulturarten, an denen gentechnisch verändert wird, sind auskreuzungs­fähig. Raps ist be­son­­ders problematisch, weil es viele andere Kreuzblütler bei Nutzpflanzen wie Kohl, Brocco­li etc. sowie bei Wildpflanzen gibt. Raps kann selbst zum Unkraut werden und ist eine attraktive Pflanze für Bienen und andere Insekten. Raps­samen sind jahrelang keimfähig im Boden. Einer so auskreuzungsfreudigen Kultur einen Freifahrt­schein auszu­stel­len war verantwortungslos. Wissenschaftlich und praktisch ist klar, dass Rapsverunreini­gungen nicht rückholbar sind.“

Bertram Brökelmann, Geschäftsführer von Brökelmann + Co., ein weiterer Kläger: Unsere Motivation zur Klage war Verantwortung. Unsere Generation hat eine gentechnikfreie Flora und Fauna geerbt, die wir in Europa vor der alten Gentechnik bewahrt haben. Jetzt stehen wir vor der nicht veränderbaren Entscheidung, welche Struktur, welchen Foodprint wir hinter­las­sen. Die marktführende Speiseölmühle Brökelmann + Co. beliefert entsprechend den Kundenwünschen den deutschen Lebensmitteleinzelhandel mit gentechnikfreiem Rapsöl. Gentechnik-Ölsaaten zerstören unwiederbringlich die gentechnikfreien konventionellen und biologisch angebauten Rapssorten. Lebensmittelkäufer müssen heute und auch zukünftig das Recht haben, gentech­nikfreie Lebensmittel erwerben zu können.“

Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und dritter Kläger: „Unser Engagement gegen Gentechnik hat sich gelohnt. Die Argumentation des BVL, wonach das neue RTDS-Verfahren keine Gentechnik und folglich nicht zu regeln sei, ist nach dem EuGH-Urteil eine rechtswidrige Position. Auch auf die neuen Gentechnik-Verfahren ist das Vor­sor­geprinzip anzuwenden, denn auch sie bergen Risiken für Mensch und Natur. Zulassungs­verfahren mit umfassender Untersuchung möglicher Risiken und Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen sind notwendig, nur so kann die Wahlfreiheit für Verbraucher gesichert werden.“

Folgende Organisationen sind im Klagebündnis: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirt­schaft (AbL) e.V., Bioland e.V., BUND, Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) e.V., Gen-ethisches Netzwerk (GeN) e.V., Demeter e.V., Greenpeace e.V., Interessengemeinschaft Nachbau (IG-Nachbau), Interessenge­mein­schaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG-Saatgut), Mellifera e.V., Naturland e.V., Sambucus e.V., Save our Seeds, Umweltinstitut München e.V., Zukunftsstiftung Landwirtschaft.    

Zum Hintergrund:

In einem Bescheid vom 5. Februar 2015 vertrat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Auffassung, dass herbizidresistente Rapslinien der Firma CIBUS „keine gentechnisch veränderten Organismen i.S.d. Gentechnikgesetzes darstellen“. Der CIBUS-Raps hätte nach Auffassung des BVL ohne Risikobewertung, Standortregister und Kennzeichnung freigesetzt oder angebaut werden können.

Die von CIBUS unter dem Namen „Rapid Trait Development System“ (RTDS) verwendete ODM-Technologie (Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese) verändert das Erbgut mittels in die Zelle einzuführender kurzer, im Labor synthetisierter DNA-Sequenzen. Diese sollen die DNA in der Zelle dazu veranlassen, sich an einer gewünschten Stelle dem fremden Muster anzupassen. Die RTDS-Technik ist ein neues Gentechnik-Verfahren. Der genaue Mechanismus der Veränderung ist unklar, das räumte auch die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) in ihrer Stellungnahme ein.

Zahlreiche Verbände und Unternehmen legten Widerspruch beim BVL ein, da ihrer Meinung nach der RTDS-Raps als Gentechnik zu regulieren ist. Sie forderten auch das Dienstaufsicht führende Bundeslandwirt­schaftsministerium auf, eine mögli­che Freisetzung des CIBUS-Rapses zu verhindern. Im Juni 2015 wies das BVL den Wider­spruch ab, woraufhin eine konventionelle Ölmühle, ein biolo­gi­scher Saatgutzüchter und der BUND Klage beim Verwaltungsgericht Braun­schweig einreichten, um zu klären, ob der RTDS-Raps nach Gentechnikrecht zu regulieren ist.

Die Klage gegen den BVL-Bescheid wur­de insbesondere damit begründet, dass die in der Gentechnik-Richtlinie 2001/18 enthaltene Ausnahmeregelung nur für Mutageneseverfahren gilt, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt und seit langem als sicher gelten. Das RTDS-Verfahren ist neu und unterliegt nicht der Ausnahmeregelung. Das Klagebündnis stützte diese Argumentation auf juristische Gutachten von Prof. Ludwig Krämer und von Prof. Tade Spranger, die nunmehr durch das EuGH-Urteil bestätigt wurden. Zudem monierten die Kläger die fehlende Zustän­digkeit des BVL.

Auch nach der Aufforderung der EU-Kommission an die EU-Mitgliedstaaten, die rechtliche Einstufung der neuen Ver­fahren durch die Kommission abzuwarten, da die Kompetenz der Gentechnik-Beurteilung auf EU-Ebene liege, hob das BVL seinen Bescheid nicht auf. Die Einordung („legal notice“) hat die EU-Kommission immer wieder verschoben, zuletzt mit dem Hinweis, das EuGH-Verfahren abzuwar­ten. Auch das BVL wusste von der Zuständigkeit der EU-Kommission, denn es stellte seinen Bescheid unter den Vorbehalt der Änderung nach einer Entscheidung der EU-Kommission.

Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 25. Juli 2018 ist rechtlich bindend, dass neue Gentechnik-Verfahren als Gen­tech­­nik zu regulieren sind. Organismen, die durch die neu­en Ver­fah­ren wie CRISPR, RTDS/ODM, TALEN, Zink-Finger-Nuklease etc. er­zeugt wurden, unterliegen damit einer Risikobewertung, einem Zulassungsverfahren, Auflagen bei Freisetzungen und Anbau, einer Kennzeichnungspflicht, der Bereitstellung eines Nachweis­verfahrens, der Rückverfolgbarkeit und einem Monitoring. Das ist weder ein Verbot von Gen­tech­nik noch eine Einschränkung der Forschungsfreiheit, sondern die Regulierung einer Risikotech­no­logie nach der europäischen Freisetzungs-Richtlinie 2001/18.

 

Meldung vom BVL: „Cibus Raps-Bescheid vom BVL zurückgenommen“: https://www.bvl.bund.de/DE/06_Gentechnik/04_Fachmeldungen/2018/2018_08_17_Fa_Cibus_Raps_Bescheid.html?nn=1644534

 

Rechtsgutachten zu den neuen Gentechnik-Verfahren:

Professor Dr. Ludwig Krämer (Sept. 2015): Legal questions concerning new methods for changing the genetic conditions in plants. https://www.abl-ev.de/uploads/media/Kraemer_Legal_questions_new_methods.pdf

Professor Dr. Dr. Tade Matthias Spranger (Okt. 2015): Legal Analysis of the applicability of Directive 2001/18/EC on genome editing technologies commissioned. https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/agrogentechnik/Dokumente/Legal_analysis_of_genome_editing_technologies.pdf  

 

20.08.2018
Von: gemeinsame Pressemeldung Klagebündnis