Das Europäische Patentamt (EPA) hat am 15. Oktober 2024 einen Einspruch gegen ein Patent der Firma KWS auf kältetoleranten Mais (EP 3380618) zurückgewiesen. Die internationale Koalition von Keine Patente auf Saatgut! hatte den Einspruch eingelegt, weil Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Pflanzensorten in Europa nicht zulässig sind. Bei seiner Entscheidung beruft sich das EPA auf eine umstrittene Klausel, nach der dieses Verbot nur auf Patente angewendet wird, die nach dem 1. Juli 2017 angemeldet wurden. Das Patent der KWS wurde bereits 2016 eingereicht. Doch diese Rechtsauslegung ist nach Ansicht der Einsprechenden willkürlich und inkorrekt. Das Verbot der Patentierung von Pflanzen und Pflanzensorten gab es schon lange vor 2017. Lediglich Patente auf gentechnische Verfahren zur Produktion von Pflanzen sind erlaubt, Patente auf konventionelle Züchtung waren nie zugelassen. Tatsächlich stammt der Mais aus konventioneller Züchtung. Die relevanten genetischen Anlagen wurden in Pflanzen einer Sorte entdeckt, die in der Vergangenheit bereits vielfach zur Zucht eingesetzt worden war. Bisher waren entsprechende Sorten für Züchter frei verwendbar, um neue Sorten zu züchten. Den unbeschränkten Zugang zum Züchtungsmaterial garantiert in Europa das sogenannte Züchterprivileg.
Züchterprivileg bedroht
Jetzt könnten Zuchtunternehmen wie die niederländische Firma NordicMaize Breeding direkt von dem Patent betroffen sein. Seit vielen Jahren züchtet die Firma Maissorten, die sowohl in der konventionellen Landwirtschaft als auch im ökologischen Landbau eingesetzt werden und in Regionen mit kürzerer Vegetationsperiode besonders gut angebaut und im Fruchtwechsel kombiniert werden können.
Jahrelang eingesetzt
Pflanzenzüchterin Grietje Raaphorst-Travaille von Nordic Maize Breeding, die an der Verhandlung teilgenommen hat, warnt vor großen rechtlichen Unsicherheiten: "Vermutlich wurden diese Pflanzen bereits jahrelang zur Zucht eingesetzt, bevor das zum Patent angemeldet wurde. Es scheint jetzt unklar, ob Pflanzen mit diesen Erbanlagen auch in Zukunft zur Zucht frei verwendet werden können. Wir können unsere Sorten nicht einmal nach den speziellen Genabschnitten durchsuchen, weil sogar die entsprechenden Nachweisverfahren patentiert wurden. Derartige Patente können der konventionellen Züchtung den Boden unter den Füßen wegziehen.“ Vor diesem Hintergrund plant das Bündnis Keine Patente auf Saatgut! gegen die Entscheidung eine Beschwerde einzulegen und fordert die Politik zum Handeln auf. Wird die Entwicklung nicht gestoppt, droht eine weitreichende Blockade der Pflanzenzüchtung durch eine stetig wachsende Zahl von Patentanträgen.
80 Patente
Wie gravierend die Probleme sind, zeigt auch ein neuer Bericht von Keine Patente auf Saatgut! über Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen. Demnach hat das Europäische Patentamt (EPA) bereits hunderte Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt. Betroffen sind über 1.300 europäische Pflanzensorten. Insgesamt wurden bei der Recherche von Keine Patente auf Saatgut! rund 80 Patente auf Pflanzen entdeckt, die im Jahr 2023 erteilt wurden. Davon betreffen rund 20 die konventionelle Züchtung. Betroffene Pflanzenarten sind beispielsweise Gurken, Mais, Melonen, Paprika, Raps, Spinat, Tomaten und Weizen. Die Patentinhaber sind Firmen wie Nunhems/BASF, Enza Zaaden, KWS, Rijk Zwaan, Seminis/Bayer und ChemChina/Syngenta. Anlässlich der Vorstellung des neuen Berichts warnte Johanna Eckhardt von Keine Patente auf Saatgut!: „Das Europäische Patentamt und die Saatgutindustrie zerstören mit diesen Patenten die Grundlagen der europäischen Pflanzenzüchtung. Noch nie war der Zugang zu konventionell gezüchteten Pflanzensorten so stark durch Patente behindert wie heute.“ Im aktuellen Bericht von Keine Patente auf Saatgut! werden auch konkrete Vorschläge zur Änderung der Patentgesetze der EU gemacht. Auch im Hinblick auf die Verfahren der Neuen Gentechnik (NGT) muss jetzt das Schlimmste verhindert werden: Die Reichweite der Patentierung muss strikt auf die mit Gentechnik produzierten Pflanzen begrenzt werden.
Weitergehende Informationen und Bericht: https://www.no-patents-on-seeds.org/de/bericht-2024