Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung muss bleiben und wirtschaftliche Perspektiven für Bauern jetzt

Agrarpolitische Signale aus der bundesweiten AbL-Tagung an die nächste Bundesregierung. Betrugsskandal Rindfleisch darf nicht Bäuerinnen und Bauern belasten

Auf der gut besuchten Milchtagung in Hardehausen bei Warburg, 40 Teilnehmer:innen vor Ort und 50 Online, diskutierten Praktiker:innen mit Vertreter:innen des Lebensmitteleinzelhandels, der Privatwirtschaft, der Wissenschaft und Politik sowie von Nichtregierungsorganisationen miteinander. Die bundesweite Tagung wurde von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Kooperation mit der Katholischen Landvolkshochschule Hardehausen veranstaltet.

„Wir senden Signale an die neue Bundesregierung, eine mutige und vorwärtsgewandte Agrarpolitik umzusetzen“, sagte AbL-Bundesgeschäftsführer Bernd Schmitz auf der Tagung. „Wir fordern, dass das staatliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz bleibt und weiterentwickelt wird. Nur so kann Verlässlichkeit für die Betriebe und Verbraucher:innen sichergestellt werden. Außerdem ist die langfristige Finanzierung nach den Borchert-Plänen umzusetzen und etwa die Anhebung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte um 2-3 Prozent ein guter Einstieg. “ Zum Rindfleischskandel sagte Schmitz: "Für den Skandal um die falsche Rindfleischdeklarierung müssen die beteiligten Unternehmen die volle Verantwortung übernehmen und der Betrugsskandal darf nicht die zulieferenden Bäuerinnen und Bauern belasten."

Elmar Hannen vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) sprach die Marktpolitik an: „ Die neue Bundesregierung muss den Ball der EU-Kommission aufgreifen und sich für die verbindliche Vertragspflicht vor Lieferung, also den Artikel 148 einsetzen. Die Vertragspflicht vor Lieferung ist nicht die alleinige Lösung aber ein wichtiger Einstieg für faire und gewinnbringende Preise für uns Bäuerinnen und Bauern. Der Milchindustrieverband lehnt diesen Schritt ab und wird vom Raiffeisenverband und Deutschen Bauernverband aktiv unterstützt. Deshalb ist jetzt umso wichtiger, dass wir Bäuerinnen und Bauern unsere Positionen in die neue Regierung einbringen, sonst werden wir viel zu viele Betriebe verlieren und eine Art der Landwirtschaft bekommen, die weder bäuerlich noch gesellschaftlich akzeptiert ist. Weitere marktpolitische Maßnahmen wie Kaufverbot unter Produktionskosten müssen folgen.“  

Auszüge aus den Referaten und Diskussionen der Milchtagung

Robert Römer von der Initiative Tierwohl (ITW) skizziert in seinem Vortrag eindrücklich die Entwicklung der Initiative Tierwohl, die bereits seit zehn Jahren besteht. Zu den Rückfragen der Teilnehmenden zum aktuellen Betrugsskandal bei der Deklarierung von Rindfleisch verwies Römer auf die Äußerungen des betroffenen Verbands, denen er nicht vorgreifen wolle. Er kündigte an, dass hinsichtlich Prüfsystematik und Transparenz bei den Haltungsformen für Rinder jetzt ein intensiver Austausch mit den Akteuren anstehe.

Professor Andreas Gattinger und Dr. Deise Knob von der Justus-Liebig-Universität Gießen sind Projektpartner von ClieNfarms der EU-Kommission. Sie stellten hofindividuelle Berechnungsmethoden für CO2-Emissionen in der Öko-Milchviehhaltung vor, bei der auch Betriebe der Upländer Bauernmolkerei untersucht werden. In der Debatte wird deutlich, dass viele Faktoren bereits berücksichtigt sind, aber längst nicht alle. So fehle, laut Gattinger, etwa der Emissionsfaktor, wenn Kot und Harn auf der Weide getrennt abgelegt würden, wodurch sich Emissionen reduzierten. Auch wird unter den Teilnehmenden kritisch betrachtet, dass bei einer objektiven Bilanzierung der CO2-Emissionen auch eine Bilanzierung der Biodiversität und von Landnutzungsänderungen notwendig sei, sonst würden diese wichtigen Aspekte gegeneinander ausgespielt. Weidenutzung sollte generell eine noch höhere Wertschätzung zuteil werden, die über entsprechende Förderung jenseits der Zweiten Säule einzelner Bundesländer gestärkt werden sollte.

Johannes Eisert, der den Gladbacher Versuchs-Hof leitet, hält Klimabilanz-Forschungen für Landwirt:innen für sinnvoll, denn sie sind Opfer und Verursacher zugleich und könnten dadurch Verbesserungen auf ihren eigenen Betrieben umsetzen.

Benjamin Wölk, Einkaufsleiter von der REWE Group und Michael Braun, Geschäftsführer „Die faire Milch“ stellten den ersten bundesweiten 3-Parteien-Vertrag für Milch vor, den es seit Herbst letzten Jahres gibt. Vor allem habe Wölk der Ansatz eines vollkostendendeckenden Milchpreises auf Grundlage des Milch Marker Index (MMI) für Betriebe überzeugt, den 3-Parteien-Vertrag umzusetzen. Sein Resümee: Die Verkaufszahlen überstiegen die Erwartungen, das liege auch daran, dass das Produkt in den Penny-Märkten, die zur REWE Group gehören, gut platziert und beworben würde. Es wurde beim Vortrag deutlich, dass Wölk und Braun, die beiden Vorreiter des 3-Parteien-Vertrages, ihre Zusammenarbeit äußerst engagiert, vertrauensvoll und transparent handhaben. In der Debatte wurde erwähnt, dass es zwar auch seit diesem Jahr einen 3-Parteien-Vertrag für Schweinefleisch gebe, dieser aber nicht von den Vollkosten der Betriebe her kalkuliert würde.

Tierarzt Dr. Matthias Link hat in seinem Vortrag den Umgang mit der Blauzungen-Krankheit auch bezüglich Impfen und Impfskepsis detailliert aufgearbeitet. Er warnte, dass neuartige Virus-Erkrankungen mit dem Klimawandel zunehmen würden und empfahl, dass Impfen dagegen ein wirksames Mittel sei. Biosicherheit sei ein abstrakter Begriff, dessen Umsetzung im Betrieb aber an Bedeutung gewinne, auch wenn sie mit Transparenz und „wir öffnen unsere Höfe“ schwer zu vereinbaren sei.

Fotos zur Milchtagung hier

11.03.2025