Milchbauern zeigen großes Interesse an Erzeuger-Gemeinschaften
Die Milchtagung am Montag (28.02.)in Warburg-Hardehausen war außergewöhnlich gut besucht. Insbesondere das Thema des Vormittags stieß auf großes Interesse: Wie erreichen Milcherzeuger über das Zusammenschließen in Erzeuger-Gemeinschaften, dass ihnen der Preis für ihre Milch von dem Molkereien nicht mehr erst Wochen nach Lieferung mitgeteilt
wird, sondern dass sie mit den Molkereien vorher über den Milchreis verhandeln?
Aus der Praxis berichtete Biomilcherzeuger Johannes Berger. Er ist Vorsitzender der Bio-Milcherzeuger-Gemeinschaft Nord, die eine vergleichsweise große Biomolkerei beliefert. Nachdem die Molkerei über längere Zeit unter Durchschnitt gezahlt habe und Verhandlungen daran nichts ändern konnten, kündigte die Erzeugergemeinschaft im vergangenen Herbst. „Jetzt zahl die Molkerei den deutschen Durchschnittspreis“, erläuterte Berger. Es werde aber
weiter verhandelt, außerdem werde ein „Plan B“ verfolgt. Spätestens im September soll ein neuer Vertrag stehen.
Arnold Weßling steht einer Milch-Erzeuger-Gemeinschaft in ostwestfälischen Gütersloh mit 66 Mio. kg Milch vor. Die Bauern lieferten früher an eine Privatmolkerei, die dann von einer großen niederländlichen Genossenschaft übernommen wurde. „Um wirklich verhandeln zu können, brauchen Sie Alternativen“, sagte Weßling. Er wünsche sich daher so viele Abnehmer und Molkereien wie möglich, um einen Wettbewerb um die Milch aufrecht zu
erhalten. Das sei eines der wichtigsten Aufgaben der Marktsteuerung, so Weßling, der damit die Verantwortung auch der Politik und der Wettbewerbsbehörden ansprach. Verantwortlich dafür ist auf europäischer Ebene die EU-Kommission. Deren Direktor Hermanus Versteijlen war aus Brüssel angereist. Er stellte die noch jungen Vorschläge der Kommission vor, mit denen das Recht der Milcherzeuger, sich in Gemeinschaften
zusammenzuschließen, in allen Mitgliedstaaten der EU verankert werden solle, wenn auch nur bis zu bestimmten Grenzen. Ein zweiter Vorschlag bezieht sich auf die Verträge der Molkereien mit den Erzeugern. Versteijlen rät dazu, dass die Molkereien nicht mehr unabhängig von der Marktlage alle Milch der Bauern aufnehmen. Vielmehr sollte in den Verträgen in Zukunft Preis und Liefermenge geregelt werden. Versteijlen.ging auch auf die staatliche Milchquote ein. Der „sanfte Ausstieg“ verlaufe erfolgreich, die erzeugte Menge sei im Jahr 2009-2010 nicht gestiegen.
Nicht nur für diese Aussage erntete der EU-Beamte viel Kritik. „Die zum Teil geringere Erzeugung ist erkauft worden mit der Verarmung der Milcherzeuger“, begann Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) und des europäischen Dachverbandes EMB, seine Gegenrede. „Von einer Kostendeckung auf den Betrieben sind wir immer noch weit entfernt“. Die Vorschläge der Kommission gingen leider an der Realität vorbei, so Schaber. Für die Erzeuger-Gemeinschaften seien viel zu enge
Grenzen gesetzt. „Für uns Bauern soll bei 3,5 % der EU-Milchmenge Schluss sein, während für Genossenschaftsmolkereien diese Grenzen nicht gelten sollen“, so Schaber, er forderte ein Anheben der Grenze auf 30 %. Zudem: „Wie will man die Verhandlungsposition der Milcherzeuger am Markt verbessern, wenn man die Genossenschaftsmolkereien außen vor lässt, wo die doch 58 % der Milch in der EU verarbeiten“, fragte er. Um eine vernünftige Lösung am Milchmarkt zu erreichen, prüfe der BDM derzeit ein EU-weites Volksbegehren,
wie es nach dem EU-Vertrag ab dem Jahr 2012 möglich sei.
Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), unterstützte die Kritik Schabers. Gleichwohl riet er die Bauern dazu, sich auch jetzt schon in Erzeuger-Gemeinschaften zu bündeln und sich zwischen den verschiedenen Gemeinschaften intensiv auszutauschen. Die Frage der Bündelung dürfe nicht theoretisch bleiben. „Es muss öffentlich sichtbar und diskutiert werden, wie schwierig es
für die Milcherzeuger in der Praxis ist, den Preis von ihren Kosten aus vorwärts zu kalkulieren, anstatt das zu schlucken, was die Molkereien nach Abzug ihrer Kosten übrig lassen“, mahnte der AbL-Vorsitzende. „Schweigen können sich immer nur die Starken leisten. Diejenigen, die am Markt in der Position der Schwäche sind, müssen das nach außen tragen.“
Weitere Themen
Am Nachmittag standen auf der von AbL, KLJB und Universität Kassel veranstalteten Milchtagung weitere Themen auf dem Programm. Die Tierärztin und Buchautorin Dr. Anita Idel widersprach der häufig vorgebrachte Behauptung, dass Kühe ein Hauptverursacher des Klimawandels seien. „Die Kuh ist kein Klima-Killler“, fasste Idel zusammen. 40 % der weltweiten Landfläche sei als Grünland. Das könne nur durch Wiederkäuer wie die Kuh
genutzt werden. Es komme darauf an, dass die Kuh vor allem mit Gras gefüttert und das Grünland nachhaltig genutzt werde. Ansonsten drohten große Mengen des durch den Grasbewuchs im Bodenhumus gebundenen Kohlenstoffs freigesetzt zu werden und den Klimawandel anzuheizen.
Bioland-Milchbauer Bernd Vollmer begeisterte mit der Vorstellung seines Betriebes das vor allem aus Praktikern bestehende Publikum. Zum einen überzeugte die lange Nutzungsdauer der Milchkuhherde, die mit acht Jahren etwa fünf Jahre höher liegt als der Durchschnitt der deutschen Betriebe. Zum anderen beeindruckte die hohe Milchausbeute, die der Betrieb aus dem Grundfutter (Gras, Heu, Silage) erreicht. Bei nur minimalen Kraftfuttergaben (ca. 1,5 kg/Kuh/Tag Hafer-Gerste-Gemenge) erreicht der Biobetrieb eine Milchleistung von fast 7.000 kg pro Kuh im Jahr.
Wirtschaftlichkeit auch bei Biomilch zu verbessern
Als letzter Referent beleuchtete Jürgen Sprenger vom Beratungsteam Ökologischer Landbau die Wirtschaftlichkeit der Biomilcherzeugung. Er wertete dazu Daten von bundesweit 53 Betrieben aus. Im Ergebnis habe sich gezeigt, dass in den vier Jahren 2005- 2009 nur in einem Jahr (2007/2008) die durchschnittlichen Vollkosten durch die Einnahmen voll gedeckt worden seien. Dabei wurden bei Kosten wie bei Einnahmen auch rein kalkulatorische Posten berücksichtigt, worüber auf der Tagung auch offen diskutiert wurde.
Für die Organisatoren der Tagung zeigte der Vortrag dennoch, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, um das allgemeine Milchpreisniveau anzuheben.