Mit CRISPR dem Klimawandel trotzen?

Der Klimawandel ist da. Vermehrt kommt es zu Trockenperioden, Überschwemmungen, erhöhtem Schädlingsdruck und Wetterextremen. Wissenschaftler wecken nun erneut die Hoffnung, mit den neuen Gentechnikverfahren landwirtschaftlich relevante Nutzpflanzen in kurzer Zeit so zu verändern, dass sie resistenter gegenüber Hitze, Trockenheit, Salze im Boden und Krankheitserregern werden sollen. Wie weit ist die Forschung tatsächlich? Und was bedeutet das für die Regulierung von neuen Gentechnik-Pflanzen angesichts der Komplexität dieser Eingriffe?

Komplexe Reaktionen der Pflanzen auf Stress

Die Antworten der Pflanzen auf Stressbedingungen, wie sie der Klimawandel hervorbringt, sind vielfältig und werden durch eine Vielzahl an Vorgängen in den Pflanzen und ihren Zellen reguliert. Dieses Netzwerk an unterschiedlichen Reaktionsmechanismen und Kreisläufen ist komplex und in vielen Fällen noch gar nicht vollständig verstanden.

Viele verschiedene zelluläre Komponenten (einschließlich Gene, regulatorischer Einheiten wie RNAs oder epigenetische Marker) sind an der Reaktion von Pflanzen auf Stress beteiligt. Je nach Entwicklungsstadium der Pflanzen (Samen, Keimung, Längenwachstum, etc.) werden bestimmte Stress-Gene in den verschiedenen Teilen (Wurzel, Stängel, Blätter, Blüte) koordiniert an- oder abgeschaltet. Bei langer Trockenheit verstärken Pflanzen ihr Wurzelwachstum, dieser erhöhte Energieverbrauch kann zu Ertragseinbußen oder Frühreife führen. Bei Befall der Pflanzen durch Schädlinge werden Abwehrmechanismen angekurbelt, gleichzeitig wird der Heilungsprozess verletzter Gewebe angeschaltet.

Phytohormone

Eine vielfältige Gruppe von Signalmolekülen, die als Informationsüberträger zwischen den Geweben von Pflanzen und auch zwischen verschiedenen Pflanzen dienen, sind pflanzliche Phytohormone. Ethylen bspw. ist ein flüchtiges Phytohormon und wird häufig bei einer Stressreaktion auf Schädlinge oder einer Infektion mit Pathogenen freigesetzt. Ethylen verändert das Ablesen von Genen so, dass Pflanzenteile und andere Pflanzen über den Stressor „informiert“ werden. Daneben beeinflusst Ethylen noch andere Regulierungssysteme in der Pflanze, wie die Förderung der Fruchtreife, die Hemmung der Blütenbildung und des Längenwachstums. Auch andere Phytohormone haben überlappende Funktionen und sind Teil eines Netzwerkes an Stressreaktionen.

Stress-tolerante Pflanzen durch CRISPR?

Neue Gentechnikverfahren, wie CRISPR/Cas, die sogenannte „Genschere“, sollen eingesetzt werden, um Gene, die an der Stressreaktion der Pflanze beteiligt sind, so zu verändern, dass Pflanzen „besser“ mit dem Stress umgehen können und um stress-tolerantere Sorten zu erzeugen. Aber wie ist der aktuelle Forschungsstand?

Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur der letzten Jahre zeigt eindeutig: Die Genscheren werden überwiegend in der Grundlagenforschung eingesetzt, um zunächst die Regulation von einzelnen Genen zu erforschen. Dazu werden vor allem einzelne „Stress“-Gene ausgeschaltet (oder mehrere Gene gleichzeitig), und der Effekt davon auf die Entwicklung und den Ertrag der Pflanzen unter bestimmten Stressbedingungen geprüft. Es geht also vor allem darum, die Rolle der unterschied­lichen Gene in der Stressantwort der Pflanze aufzuklären.

So wurde in einer Untersuchung CRISPR/Cas dazu verwendet, zwei agronomisch-relevante Eigenschaften der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) miteinander zu kombinieren. Dafür wurden mehrere Gene gleichzeitig verändert, um so eine erhöhte Samengröße mit einer verstärkten Trockenheitstoleranz zu verknüpfen. Das ist 2019 im Labor geglückt (Chen et al., 2019). Was für Auswirkungen diese Veränderungen auf die Entwicklung der Pflanzen haben, muss in Langzeitstudien und unter verschiedenen Stressbedingungen überprüft werden, genauso wie die möglichen Auswirkungen auf andere Organismen im Ökosystem.

In einer weiteren Studie haben Wissenschaftler konventionell gezüchtete Reislinien, die bestimmte Krankheitsresistenzen und eine gewisse Toleranz gegenüber geringer Phosphorkonzentration im Boden haben mit CRISPR/Cas verändert. Ein bestimmtes Gen wurde ausgeschaltet, was zu einem verminderten Wuchs der Reispflanzen führen soll (Hu et al., 2019). Dies soll das Getreide vor einem Umkippen der Ähren bei zu starkem Wind oder Regen schützen. Im Getreideanbau führt der kürzere Abstand der Ähre zum Boden allerdings dazu, dass diese leichter durch Pilze infiziert werden kann, die sich wiederum im Mikroklima der dichten Bestände sehr gut ausbreiten können. Es besteht also die Gefahr, dass durch die neue Veränderung ggf. ein neues Problem entsteht.

Stresstoleranz ist komplex

Im Bereich der Anwendungsforschung, also für die Kommerzialisierung interessante Eigenschaften, zeigt sich, dass es derzeit kaum genomeditierte Pflanzen gibt, die eine verbesserte Toleranz gegenüber abiotischem Stress haben. Einige wenige Studien versuchen eine verbesserte Resistenz gegen biotische Stressfaktoren wie Schädlinge zu erreichen. So wurde versucht, die Genschere CRISPR/Cas in das Genom von Pflanzen einzubauen, damit diese den eindringenden Erreger erkennen und zerschneiden können – ein klassischer transgener Einsatz der neuen Gentechnik. In anderen Experimenten wurden Pflanzen-eigene Gene verändert, so dass die Pflanzen immun sein sollen gegenüber den eindringenden Erregern. Auch aus dieser Kategorie hat noch keine genomeditierte Pflanze die Marktreife erreicht.

Regulierung notwendig

Bekannt ist, dass bei der Anwendung der neuen Gentechnikverfahren unbeabsichtigt Veränderungen am Erbgut, wie zum Beispiel Nichtzieleffekte bewirkt werden können, sowohl an ganz anderen Stellen im Genom (off-target) als auch dann, wenn das eigentliche Zielgen verändert wird (on-target). Das Erbgut genomeditierter Organismen sollte deshalb unbedingt auf diese ungewollten Veränderungen hin überprüft werden. Dazu sind Sequenzierungen ganzer Genome notwendig und umfassende Analysen der bewirkten Veränderungen.

Aber auch ein erfolgreicher Eingriff mit Genome Editing Verfahren (ohne Nebenwirkungen im Genom) in das komplexe Zusammenspiel von verschiedenen Signalwegen innerhalb der Zelle kann Auswirkung auf viele andere Eigenschaften nach sich ziehen. Je mehr Zielgene gleichzeitig verändert werden, umso komplexer wird der gentechnische Eingriff in den Stoffwechselkreislauf der pflanzlichen Zellen. Deshalb sollte geprüft werden, welche Auswirkungen die beabsichtigten Eigenschaften auf den Organismus selbst und auf deren interagierende Umwelt haben. Und ob sich diese unter Stressbedingungen auch als tatsächlich vorteilhaft bewähren.

Nur eine Regulierung von genomeditierten Organismen und damit eine angemessene Risikobewertung stellt sicher, dass solche Organismen eingehend überprüft werden. Das ist auch insbesondere wichtig, um einen Überblick zu behalten, welche Organismen überhaupt auf dem Markt sind und wie genau sie mit den neuen Gentechnikverfahren verändert wurden.

 

Autorin: Dr. rer. nat. Katharina Kawall, Fachstelle Gentechnik und Umwelt, https://fachstelle-gentechnik-umwelt.de. Ein ausführlicher Text zu diesem Thema erscheint im Kritischen Agrarbericht 2021.

Zum Artikel in der Bauernstimme_hier

23.10.2020
Von: Dr. Katharina Kawall, Fachstelle Gentechnik und Umwelt in Bauernstimme 11/2020