Neue Gentechnik: Was ist und was kommt auf den Acker?

Herbizidresistenter Raps, blutdrucksenkende Tomaten und «ballaststoffreicher» Weizen

Es mag angesichts des euphorischen Diskurses über die neue Gentechnik überraschend sein, aber bis jetzt (Stand: März 2022) sind erst drei Pflanzen im kommerziellen Anbau, die mit den neuen Verfahren (Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese, TALEN und CRISPR/Cas) entwickelt wurden. Der starke öffentliche und mediale Fokus auf die neue Gentechnik lässt darüber hinaus aus dem Blick geraten, dass der Grossteil der gentechnisch veränderten Pflanzen, die aktuell in den Anbau kommen sollen, nach wie vor mittels der alten Gentechnik entwickelt wurden. Ihre Eigenschaften sind bekannt: es handelt sich überwiegend um Herbizidresistenzen und/oder verschiedene Bt-Proteine.

Kasten: Was ist auf dem Acker?

Die drei mittels neuer Gentechnik entwickelten Pflanzen, die bereits vermarktet werden, sind:

  • Ein herbizidresistenter Raps der Firma CIBUS, der mittels des RTDSTM Verfahrens (Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese) entwickelt wurde. Der Raps wird in den USA und Kanada angebaut.
  • Eine Soja mit einem veränderten Ölsäuregehalt der Firma Calyxt, die mit TALEN entwickelt wurde. Der Anbau findet ausschliesslich in den USA statt.
  • Und schliesslich das erste CRISPR-Produkt, eine Tomate (mit erhöhtem Gehalt an Gamma-Amino-Buttersäure; diese soll blutdrucksenkend wirken) des Unternehmens Sanatech Seed. Nach einer ersten Testphase, in der Hausgärtner:innen die Tomate anbauen konnten, findet seit 2021 auch ein kommerzieller Anbau (in Japan) statt.

Wenig Transparenz

An welchen Pflanzen, mit welchen Eigenschaften arbeiten die Unternehmen? Mit welchen Anbauzulassungen im Bereich der neuen Gentechnik ist in den nächsten Jahren zu rechnen? Eine Anschluss-Recherche, die im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Umwelt durchgeführt wurde, zeigt zunächst vor allem, wie schwierig die Datenlage ist.

Akteure sind v. a. multinationale Konzerne (Bayer, BASF, Corteva, Syngenta), Start ups, die zum Teil mit den Konzernen kooperieren und Unternehmen für computergestützte Agrartechnologie und Lizenzgeber der Verfahren.

Neun US-amerikanische Unternehmen – Arcadia Biosciences, Benson Hill Biosystems, Calyxt, Cibus, Inari Agriculture, Pairwise Plants, Precision Biosciences, Tropic Biosciences und Yield10 Bioscience – dominieren bislang den Markt für neue gentechnisch veränderte Pflanzen. Ein Markt, der auch von Analysten weiterhin als Nischenmarkt bezeichnet wird. Es handelt sich bei diesen Unternehmen überwiegend um Start-ups bzw. Ausgründungen von wissenschaftlichen Instituten, die erst mit dem Aufkommen der neuen Verfahren entstanden sind. Deren Kommerzialisierungspipeline ist relativ transparent, dabei allerdings einer starken Fluktuation unterworfen – bereits angekündigte Projekte verschwinden ohne Angabe von Gründen, stattdessen tauchen praktisch jährlich neue Projekte auf.

An welchen Pflanzen/Eigenschaften die grossen, marktbeherrschenden Unternehmen arbeiten, bleibt dagegen weitgehend unklar. Ein Beispiel ist der Mais DP915635 der Firma Corteva. Der Mais, der mit einer Kombination von «alter» und neuer Gentechnik (CRISPR/Cas) entwickelt wurde, ist resistent gegen das Herbizid Glufosinat und produziert ein Insektengift. Ob dieser Mais bereits kommerziell angebaut wird, ist unklar. Ohne den 2021 von der EFSA veröffentlichten Zulassungsantrag, hätte man kaum herausfinden können, dass Corteva an diesem Mais arbeitet; auf der Homepage des Unternehmens sind zu dieser Pflanze keine spezifischen Informationen verfügbar. Erschwerend kommen nun auch noch Änderungen in der US-amerikanischen Zulassungspraxis hinzu. Da hier nun viele der neuen Gentechnikverfahren/Produkte gar nicht mehr zugelassen werden müssen, wird die Einrichtung einer globalen Datenbank, in die die Entwickler neuer gv-Pflanzen alle für einen Nachweis und ein Monitoring erforderlichen Angaben verpflichtend eintragen müssen, immer wichtiger.

Welche Pflanzen könnten in den nächsten Jahren auf den Markt kommen?

Klare Prognosen hierzu sind schwierig, weil sich Züchtungs- und Kommerzialisierungsprojekte aus unterschiedlichen Gründen immer wieder verzögern können. Die von den Unternehmen angegebenen Jahreszahlen für die Markteinführung sind daher regelmässig zu überprüfen. Hier einige Beispiele: Das Unternehmen Calyxt hat für 2023 eine mittels TALEN veränderte Luzerne angekündigt, die eine verbesserte Nährstoffzusammensetzung und bessere Verdaulichkeit aufweisen soll. 2024 soll ein ebenfalls mit TALEN entwickelter Weizen mit erhöhtem Ballaststoffgehalt auf den Markt kommen. Da jedoch 2020 grossflächig Freisetzungsversuche mit diesem Weizen durch Pestizidabdrift zerstört wurden, kann es zu weiteren Verzögerungen kommen. Das Unternehmen Cibus hatte bereits für 2021 die Markteinführung eines herbizidresistenten Reis angekündigt. Ob diese in den USA inzwischen erfolgt ist, ist unklar. In Entwicklung hat Cibus auch weitere herbizidresistente Rapssorten. Diese will das Unternehmen, wenn es die Regulierungsauflagen zulassen, auch auf den europäischen Markt bringen.

Weitere Pflanzen sind wohl frühestens ab 2025 zu erwarten. Die angekündigte und von vielen erwartete «Zulassungsschwemme» im Bereich der neuen Gentechnik lässt also weiterhin auf sich warten. Zudem zeigt sich, dass die Pflanzen, die kurz vor der Markteinführung stehen sollen, kaum den versprochenen Beitrag zu einer «nachhaltigeren» oder gar «klimaresilienten» Landwirtschaft leisten werden. Leider sind die Anwender der neuen Gentechnik nur selten so ehrlich wie der CEO von Pairwise, Tom Adams, der sich auf dem Online-Portal Successful Farming eher zurückhaltend gegenüber den neuen Verfahren äussert: «Wenn in der Presse von Gene-Editing die Rede ist, klingt es oft so, als könnten wir einfach alles im Genom verändern, was wir wollen. Es ist aber deutlich komplizierter; die Bearbeitungswerkzeuge zu entwickeln ist eine komplexe Angelegenheit.»

25.03.2022
Von: Eva Gelinsky, Bauernstimme April 2022
Dateien:
Neue_Gentechnik_Was_ist_und_was_kommt_auf_den_Acker_Bauernstimme_April_2022.pdf