Seit neun Jahren werden im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Umwelt (BAFU) alljährlich Recherchen zur Pflanzenentwicklungen im Bereich neuer Gentechnik (NGT) durchführt. Der jüngst erschienene Bericht zeigt: zwar werden global erst wenige NGT-Pflanzen kommerziell angebaut, doch die Zahlen steigen und aufgrund der intransparenten Datenlage wird die Gesamtsituation immer unübersichtlicher.
Obwohl im Vergleich zur herkömmlichen Gentechnik mehr Arten mit NGT bearbeitet werden, darunter auch Nischenkulturen wie Leindotter und Ackerhellerkraut; die Projekte mit Soja und Mais dominieren klar. Die aktuelle Recherche zeigt auch, welche Eigenschaften sich mit CRISPR entwickeln und potentiell vermarkten lassen: veränderte Inhaltsstoffe stehen an erster Stelle, gefolgt von Herbizidresistenz, Ertragssteigerung, veränderten Wuchsformen und Krankheitsresistenzen.
Auf dem Acker und in der Pipeline
Sicher im Anbau sind nach wie vor die «blutdrucksenkende» GABA-Tomate in Japan, der nicht-bräunende GreenVenusTM-Salat, der Senf mit reduzierten Bitterstoffen von Pairwise, dessen Vertrieb in den USA nun von Bayer organisiert wird, der Mais mit veränderter Stärke (waxy corn) von Pioneer (Corteva), der ab diesem Jahr auch in Spanien in einem Freisetzungsversuch getestet werden soll und ein herbizidresistenter und Insektengift produzierender Mais (DP915635), der 2024 eine Importzulassung (als Lebens- und Futtermittel) in die EU erhalten hat.
Im vor-kommerziellen Anbau in den USA und Chile befindet sich Leindotter mit verändertem Ölgehalt, in China wurde mit der Saatgutvermehrung für einen ertragreichen Mais begonnen und Cover Cress Inc. hat für sein Ackerhellerkraut (Nutzung als Bioenergiepflanze und Deckfrucht) ein Programm gestartet, das Landwirte vom Anbau überzeugen soll: Damit potentielle künftige Anbauer die Pflanze ohne Risiko in ihrem Betrieb testen können, wird das Saatgut kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein Team des Unternehmens begleitet die interessierten Landwirte, hilft ihnen bei der Auswahl der besten Felder für den Anbauversuch, informiert sie über Aussaatverfahren und bewertet den Erfolg der Pflanze im Betrieb.
Aufgrund der mangelhaften Datenlage ist unklar, ob sich die folgenden Pflanzen, die alle bereits eine Anbauzulassung haben, bereits auf dem Acker und in den Wertschöpfungsketten befinden: Für fünf Soja- und Maispflanzen (mit verringertem Lecithin, besserer Verdaulichkeit, Pilz- und Insektenresistenz) liegen Anbauzulassungen für Brasilien und Argentinien vor. Auch in China wächst die Pipeline mit verschiedenen Soja- und Maissorten (erhöhter Ertrag, veränderter Ölgehalt) sowie Weizen (Mehltauresistenz, Herbizidresistenz). Zwei Bananen, die nicht bräunen sollen, haben 2023 und 2024 den Status «keine Gentechnik» auf den Philippinen erhalten. Nach Angaben des britischen Unternehmens TROPIC Bioscience, das die Bananen entwickelt hat, können die Pflanzen dort nun ohne Auflagen vertrieben werden. Bereits seit einigen Jahren arbeiten das US-Unternehmen Corteva und das International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) aus Mexiko an der Entwicklung von Mais, der gegen die Viruserkrankung Maize Lethal Necrosis Disease (MLND) resistent sein soll. Erstes Saatgut sollte bereits 2023 (in Afrika) erhältlich sein. Nun heisst es bei CIMMYT: «Bis 2025 wird vorbehaltlich der Einhaltung der Regulierungsverfahren kommerzielles Saatgut der gentechnisch veränderten MLN-resistenten Elite-Maishybriden für bis zu 20 000 Kleinbauern auf etwa 40 000 Hektar Anbaufläche verfügbar sein.»
Getäuschte Investoren und Insolvenzen
Gegen das US-Unternehmen Cibus Inc., das nach eigenen Angaben mit seiner Technologieplattform an einer «Industrialisierung» der Pflanzenzüchtung arbeitet, wird seit 2024 von einer Reihe von US-Anwaltskanzleien wegen Täuschung von Investoren ermittelt. Anfang 2025 musste Cibus von weiteren Rückschlägen berichten: Nachdem erst im Januar gemeldet worden war, dass sich mit der unternehmenseigenen Technologie Reispflanzen mit einer hohen Erfolgsquote in schnellem Durchsatz editieren (also verändern) lassen sollen, mussten diese Zahlen bereits im Februar korrigiert werden. Dies dürfte das Unternehmen weiter unter Druck setzen (Link).
Obwohl das US-Unternehmen Yield10 Bioscience, das ausschließlich an Leindotter gearbeitet hatte, zumindest in der Außendarstellung deutlich erfolgreicher war als Cibus, musste es 2024 Insolvenz anmelden. Die Gründe hierfür sind unbekannt.
Auf Erfolgskurs
Deutlich erfolgreicher sind die US-Unternehmen Inari, das durch seine aggressive Patentstrategie auffällt und Pairwise, dass inzwischen nicht nur eng mit Bayer, sondern auch mit Corteva zusammenarbeitet. Beide Unternehmen haben sich nicht nur das Know-how und die Marktkenntnisse von ehemaligen Führungskräften der grossen Saatgutmultis (Monsanto, Syngenta) gesichert. Sie haben auch die CRISPR-Entwickler – Feng Zang (Pairwise) und Jennifer Doudna (Inari) – in ihre Geschäfte eingebunden. Inari konzentriert sich bislang auf Ertragssteigerungen bei Mais, Soja und Weizen. Pairwise entwickelt nach eigenen Angaben einen Mais mit einer um mehr als 20 % höheren Anzahl von Körnerreihen pro Kolben, was zu einem deutlich höheren Ertrag pro Hektar führen soll. Nach wie vor verfolgt das Unternehmen auch die Entwicklung von «kernlosen» Kirschen und Brombeeren. In einem Interview gab der CEO Tom Adams von Pairwise immerhin offen zu, dass sich Eigenschaften wie Trocken- oder Salztoleranz nur schwer mittels Genome Editing entwickeln lassen.
Autorin: Eva Gelinsky ist politische Co-Koordinatorin der Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit. In der Schweiz ist sie als selbstständige Wissenschaftlerin tätig.
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