PILTON – das neue Weizenwunder?

CRISPR/Cas soll Weizen zur Pilztoleranz verhelfen

Pilzbefall in Getreidebeständen kann zu erheblichen Ertragseinbußen und Qualitätsbeeinträchtigungen führen. Dieser Problematik wollen sich 54 Unternehmen - neben Bayer, Syngenta und der KWS auch Weizen-, Raps-, Kartoffel- und Rebenzüchter sowie Biotechnologie-Startups und Südzucker - in dem vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) initiierten Projekt PILTON: „Pilztoleranz von Weizen mittels neuer Züchtungsmethoden“ annehmen.

Weizen nutzt eigene Abwehrkräfte zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten nur vorübergehend. PILTON will durch die Gen-Schere CRISPR/Cpf1 (eine Variante der Gen-Schere CRISPR/Cas9) ein Gen (CPL3) abschalten und damit die pflanzliche Abwehrreaktion verlängern, was zu einer höheren Pilztoleranz führen soll. Angestrebt wird eine breit angelegte Toleranz gegen die Pilzkrankheiten Braunrost, Gelbrost, Septoria und Fusarium. „Signifikante“ Fungizidmengen sollen eingespart werden. Der Mechanismus lasse sich auch auf andere Kulturen übertragen.

Was genau soll verändert werden?

Pflanzen aktivieren ihre Immunabwehr gegen Schaderreger wie Bakterien oder Pilze, indem sie bestimmte Eigenschaften, die die Erreger auf ihrer Oberfläche tragen, erkennen. Bei den Pilzen ist das beispielsweise Chitin und bei den Bakterien Flagellin. Werden diese durch Rezeptoren der Pflanzen erkannt, wird dies als Signal in das Pflanzeninnere weitergegeben. Die Signale werden über das Anhängen von Phosphat-Resten an Proteine in einem vielstufigen Prozess weitergeleitet. Am Ende bildet das aktivierte Protein RNA Polymerase 2 verschiedene Gene, die zur Abwehrreaktion der Pflanze führen. Um diese Reaktion wieder zu bremsen wirkt CPL3 der Signalübertragung entgegen, indem es Phosphat-Reste von der RNA Polymerase 2 entfernt. CPL3 sorgt also für ein „Feintuning“. Dieser Effekt wurde bisher vor allem in der als Modellpflanze der Genetik genutzten Arabidopsis, dem Ackerschmalwand, beschrieben und untersucht (Li et al., 2014).

Im PILTON-Projekt soll mit Hilfe von neuen Gentechnik-Verfahren (CRISPR/Cpf1) das CPL3-Gen im Weizen ausgeschaltet werden. Damit würde, solange die Pflanze Bakterien oder Pilze an der Oberfläche ihrer Zellen erkennt, das Signal zum Ablesen der Abwehrgene weitergeleitet werden. Ein Herunterregeln der Immunabwehr durch CPL3 wäre gestoppt.

Brotweizen ist hexaploid, er besitzt also dreimal einen doppelten Chromosomensatz. Mit CRISPR/Cpf1 sollen alle Genkopien auf den sechs Chromosomen gleichzeitig verändert werden, um das CPL3-Gen vollständig auszuschalten. Dies ist ein grundlegender Unterschied zu dem, was bislang in der Weizenzucht gemacht wurde. Entsprechend fehlen Erfahrungen mit solchen genom-editierten Pflanzen bspw. der Interaktion mit ihrer Umwelt.

Was aber bedeutet es, wenn in die Immunabwehr von Pflanzen eingegriffen wird bzw. diese stark erhöht wird? Bei Untersuchungen von Mutationen des CPL3-Gens bei Arabidopsis zeigte sich, dass solche cpl3-mutante Pflanzen im Vergleich zum Wildtyp langsamer wachsen und früher blühen (Koiwa, H. et al, 2002). Es ist offensichtlich, dass die verstärkte Immunabwehr mehr Energie benötigt, was sich auf das Wachstum auswirkt. Auch beim Weizen ist von ähnlichen Reaktionen auszugehen und ggf. daraus resultierenden geringeren Erträgen. Zudem ist nicht auszuschließen, dass weitere Pflanzenbestandteile von einem Ausschalten von CPL3 in den Pflanzen beeinflusst werden. Zu prüfen wäre zum Beispiel, ob unter bestimmten Stressbedingungen Proteine im Vergleich zu unveränderten Pflanzen anders gebildet werden.

Aktuell stehen die ersten Weizen-Pflanzen im Gewächshaus. Im Sommer 2021 sind erste agronomische Tests geplant. Ob und wie die Pflanzen auf dem Feld funktionieren, und wie stabil diese Resistenzen sind – vor allem wenn sie breit angewendet werden - wird die Zukunft zeigen.

Hochrisikostrategie

Durch die Inaktivierung des CPL3-Gens soll eine breite, multiple Toleranz gegen mindestens vier Pilzkrankheiten erreicht werden. Die Veränderung könnte aber auch Auswirkungen auf andere für das Pflanzenwachstum förderliche Pilze haben, wie z.B. Mykorrhiza. Es scheint dringend geboten, entsprechende Risikountersuchungen zu unbeabsichtigten Nebeneffekten der gentechnischen Veränderung durchzuführen.

Bei dem beschriebenen Ansatz hängt alles an einem Mechanismus, der dann gleich gegen mehrere Pilzkrankheiten und mehrere Kulturarten wirken soll. Pilze und Bakterien sind aber anpassungsfähig. Alles auf eine Karte zu setzen bedeutet auch, dass im Falle einer Anpassung der Pathogene, die Pilztoleranz gleich gegen alle Krankheiten und ggf. sogar bei mehreren Kulturen verloren gehen würde. 

Aus gesellschaftlicher und züchterischer Sicht scheint eine breiter abgestützte Vorgehensweise basierend auf unterschiedlichen Ansätzen und Resistenzmechanismen der umsichtigere Weg. So wird in der klassischen Züchtung mit unterschiedlichen Resistenzen gearbeitet. In den Resistenzzüchtungsprogrammen auf dem Dottenfelderhof z.B. werden die Zuchtlinien im Feld dem Druck verschiedener pilzlicher Schaderreger ausgesetzt. Selektiert werden diejenigen Pflanzen, die unter Feldbedingungen gesund bleiben.

Neben der Züchtung pilztoleranterer Sorten sind ergänzende und vorbeugende Maßnahmen im Anbau von ganz entscheidender Bedeutung: Eine vielgliedrige Fruchtfolge, Verzicht auf Wachstumsregulatoren und Mais als Vorfrucht von Getreide sowie wendende Bodenbearbeitung verringern den Befallsdruck.

Patente

PILTON will sich auch mit der Frage beschäftigen, wie Pflanzenzüchter „die CRISPR/Cas-Technologie vor schutzrechtlichem Hintergrund nutzen können“, so der BDP. Damit adressiert das Projekt die Patentproblematik. Schon jetzt zeichnet sich eine neue Patentierungswelle ab. Patentinhaber sind erneut vor allem Konzerne. Wollen Züchter entweder die Techniken oder genetisches Material nutzen, müssen sie Lizenzgebühren zahlen oder Kooperationsverträge schließen, die zugunsten der Patentinhaber gestrickt sind. Das Hauptproblem besteht aber darin, dass durch die zunehmende Patentierung der Zugriff auf pflanzengenetische Ressourcen, die Grundlage jeglicher Züchtung mindestens stark begrenzt oder gar unmöglich wird. Selbst für große Züchter ist es schwierig, den Überblick im Patentdschungel zu behalten, teilweise werden bestimmte Züchtungsprojekte nicht mehr verfolgt, weil es zu viele Patente in dem Bereich von anderen Unternehmen gibt. Gerade hinsichtlich der aktuellen Herausforderungen ist aber der freie Zugang zu genetischen Ressourcen wichtiger denn je. Wie diese Patentproblematik gelöst werden soll, dafür scheint es auch im PILOTIN Projekt noch keine konkreten Ideen zu geben.

 

Autor*innen: Dr. Katharina Kawall (Molekularbiologin, Fachstelle Gentechnik und Umwelt), Dr. Carl Vollenweider (Züchter auf dem Dottenfelderhof), Annemarie Volling (Gentechnik-Expertin der AbL).

 

Erläuterungen:

CRISPR/Cas9

CRISPR/Cas9 steht für Clustered regularly interspaced palindromic repeats/CRISPR associated 9 und stammt aus dem Bakterium Streptococcus pyogenes. Das CRISPR/Cas-System wurde als molekularbiologische Technik aus den Bakterien übernommen und so verändert, dass damit im Labor auch das Erbgut von anderen Organismen wie Pflanzen und Tiere möglichst gezielt verändert werden kann. CRISPR sind kleine Bereiche bakterieller DNA, die bei der Immunabwehr gegen eindringende Viren helfen. Cas9 ist die Schneidekomponente des CRISPR/Cas9 Systems und schneidet an der Zielregion der DNA den Doppelstrang.

CRISPR/Cpf1

CRISPR/Cpf1 ist eine Variante der „klassischen“ Genschere CRISPR/Cas9 und stammt aus den Bakteriengattungen Prevotella und Francisella. Die Genschere Cpf1 hat eine andere Erkennungssequenz als Cas9 und erzeugt ein anderes Schnittmuster. Dadurch kommt es zu weniger unbeabsichtigten Veränderungen des Erbguts.

 

Referenzen:

Koiwa, H., Barb, A.W., Xiong, L., Li, F., McCully, M.G., Lee, B.-H., et al. (2002). C-terminal domain phosphatase-like family members (AtCPLs) differentially regulate Arabidopsis thaliana abiotic stress signaling, growth, and development. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 99(16), 10893-10898. doi: 10.1073/pnas.112276199.

Li, F., Cheng, C., Cui, F., de Oliveira, M.V., Yu, X., Meng, X., et al. (2014). Modulation of RNA polymerase II phosphorylation downstream of pathogen perception orchestrates plant immunity. Cell Host Microbe 16(6), 748-758. doi: 10.1016/j.chom.2014.10.018.

 

Zum Artikel in der Bauernstimme_hier

 

01.12.2020
Von: Dr. K. Kawall (FGU), Dr. C. Vollenweider (Dottenfelderhof), A. Volling (AbL)