Spitzenkandidat:innen der Parteien zur Sicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft

Antworten auf AbL-Abfrage

„Kann es wirklich sein, dass ein wirtschaftlicher Erfolgszweig in der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft durch politische Absicht in Zukunft abgewürgt wird?,“ so der Beginn der Abfrage, den die AbL Anfang Februar 2025 an die Spitzenkandidati:nnen von CDU/CSU, SPD; Grüne, Linke, FDP und BSW per Mail verschickte. Die AbL befragte die Spitzenkandidat:innen, wie sie die gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung und das EU-Vorsorgeprinzip sicherstellen wollen. Die Antworten - sofern sie erfolgten – gehen deutlich über die Erwähnung des Themas in den Wahlprogrammen hinaus, werden hier zitiert und aus AbL-Sicht kommentiert. Am Ende die AbL-Forderungen an die neue Bundesregierung.

SPD: Vorsorge, umfassende Risikoprüfung und Kennzeichnungspflicht

Am zeitnahesten meldete sich die SPD: „Gentechnik im herkömmlichen Sinne lehnen wir ab. Den Einsatz neuer genomischer Techniken (CRISPR/Cas, Gen-Schere) werden wir ergebnisoffen prüfen. Dabei haben das Vorsorgeprinzip und damit einhergehend eine umfassende Risikoprüfung im Einzelfall vor jeder potentiellen Zulassung für uns oberste Priorität. Denn auch bei neuen Gentechniken kann es zu unerwünschten Effekten kommen. Verbraucherinnen und Verbraucher, die keine genveränderten Pflanzen auf ihren Tellern haben wollen, brauchen Wahlfreiheit. Im Falle einer Zulassung der neuen Gentechnik sind die Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnung von mit genveränderten Pflanzen hergestellten Produkten daher unverzichtbar,“ so der SPD-Parteivorstand. AbL: Dafür, dass die SPD das Thema nicht im Wahlprogramm hat, eine aus bäuerlicher Perspektive gute Antwort, sie bekennt sich zum Vorsorgeprinzip und Risikoprüfung aller NGTs sowie zur Kennzeichnungspflicht. Aussagen zu Koexistenz und Haftung nach dem Verursacherprinzip fehlen.

CDU: Technologien müssen Sicherheit gewährleisten

Für die CDU gilt „grundsätzlich (…) bei allen neuen Technologien, insbesondere bei biotechnologischen, genomischen oder gentechnischen, dass Sicherheit und Unbedenklichkeit gewährleistet sein müssen. Das drückt sich auch in der von uns mitgestalteten Gesetzgebung dazu aus. Inzwischen können mittels neuer genomischer Techniken Pflanzen gezüchtet werden, die mehr Ertrag bringen, weniger Pflanzenschutzmittel benötigen und klimastabiler sind“ so die Antwort einer Fachreferentin. Weiter schreibt die CDU: „Der Vorschlag ist allerdings noch stark in der Diskussion. Transparenz und Rückverfolgbarkeit sollen gewährleistet bleiben. (…) Eine Risikoprüfung erfolgt im Rahmen der Sortenzulassung. (…) Wir werden den weiteren Fortgang konstruktiv begleiten und hierbei auch das Thema der Koexistenz beachten.“ AbL: Die CDU stellt die Gewährleistung von Sicherheit und Unbedenklichkeit bei neuen Technologien nach vorne – ohne sich aber dafür einzusetzen, dass es bei den neuen Gentechniken verpflichtenden Risikoprüfungen geben muss, das ist paradox. Beweise, dass es ertragreichere und klimastabilere Pflanzen durch NGTs geben soll, liefert die CDU nicht. Bisher hat sich die CDU/CSU gegen Transparenz und Rückverfolgbarkeit ausgesprochen, auch Koexistenz hat keine Rolle gespielt.

Grüne wollen die gentechnikfreie Erzeugung sichern, konventionell und ökologisch

„Die gentechnikfreie Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten, konventionell wie ökologisch, ist in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftszweig, den wir GRÜNE langfristig sichern und erhalten wollen. Eine Reihe von Voraussetzungen sind notwendig (…), die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte (…), die Koexistenz von gentechnikfreiem Sektor und den anderen (…), da viele Haftungsfragen im Entwurf der EU-Kommission ungeklärt bleiben, (…) die Rückverfolgbarkeit (…). Die Auswirkungen der angestrebten Gesetzgebung auf den Saatgutmarkt macht uns zusätzlich Sorgen. (…) Das Patentrecht [müsste] angepasst werden, um die Auswirkungen der Gesetzgebung abzumildern (…), bevor abschließend über den Gesetzentwurf in der EU-Kommission entschieden wird. (…) Ganz abgesehen davon lehnen wir Patente auf Pflanzen, Tiere, Saatgut und Gene grundsätzlich ab. (…) alle gentechnisch veränderten Pflanzen, die freigesetzt werden sollen, (müssen) weiter einer Risikoprüfung unterzogen werden. (…) Gleichzeitig soll die (…) Wissenschaft weiter an ihren (…) Chancen, Risiken und Folgen (der neuen gentechnischen Verfahren in der Landwirtschaft) forschen können. Dabei wollen wir die Risiko- und Nachweisforschung stärken,“ so der Bundesvorstand der Grünen in seiner Antwort. AbL: Dir Grünen greifen wichtige Grundpfeiler zur Sicherung der Gentechnikfreiheit auf und verlangen eine Änderung des Patentrechts.

Linke: Gentechnik gefährdet Biodiversität und erhöht Abhängigkeit  

„Wir lehnen den Anbau von transgenen Pflanzen in der Landwirtschaft, einschließlich sogenannter neuer genomischer Techniken, und Patente auf Saatgut, Pflanzen, Tiere und anderes Leben ab. Sie gefährden die Biodiversität und erhöhen die Abhängigkeit der Produzenten von übermächtigen Weltmarktakteuren,“ so das Sekretariat der beiden Spitzenkandidaten. Verbraucher:innen bräuchten Kennzeichnung und Wahlfreiheit, das Vorsorgeprinzip müsse wieder Vorrang erhalten, v.a., „da die Risiken besonders mittel- und langfristig überhaupt nicht abschätzbar sind. Das gilt aus Sicht der Linken gleichermaßen für alle Anwendungsgebiete bei sog. "Neuen genomischen Techniken" (NGT), deren wissenschaftliche Validität zur Risikominimierung im Verhältnis zu herkömmlichen und/oder ökologischen Züchtungsmethoden nicht gegeben ist. Es kommt also darauf an, die EU-Richtlinien über GVO konsequent einzuhalten,“ heißt es weiter. Die Linke trete für eine klare Kennzeichnungspflicht bis zum Lebensmittel ein, es brauche gesetzlichen Regelungen zur Sicherstellung der Gentechnikfreiheit, flankiert von Koexistenzregelungen, um Verunreinigungen zu verhindern. AbL: Die Linken benennen am klarsten, dass sie den Anbau von allen Gentechnik-Pflanzen ablehnen und dass es weiter strikte Regelungen auch bei den neuen Gentechniken geben muss, inklusive Kennzeichnungspflicht, Risikoprüfung und Koexistenzregelungen, die Kontaminationen verhindern. Klar ist auch ihre Ablehnung von Patenten auf Leben.

AbL: Existenzgefährdende Deregulierung stoppen

Die AbL fordert die neue Bundesregierung auf, sich klar gegen die Deregulierung neuer Gentechniken zu stemmen und den Gesetzesentwurf der EU-Kommission zurückzuweisen. Stattdessen muss die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft – ökologisch und konventionell – und damit die bäuerlichen Existenzen und Wertschöpfungsketten gesichert werden. Claudia Gerster, Bundesvorsitzende der AbL kommentiert: „Die großen Probleme im Agrarsektor werden auch durch die neuen Gentechnikverfahren nicht gelöst werden können. Weder ist gesichert, ob durch neue Gentechniken geeignete Sorten für eine Klimakrisenanpassung erzeugt werden können, noch tragen NGT-Pflanzen strukturell zur Bekämpfung der Hungerkrise bei. Stattdessen werden Bauern und Bäuerinnen mit einer Risikotechnologie konfrontiert, deren Auswirkungen auf die komplexen Ökosysteme nicht abschätzbar sind, während Haftungsfragen nicht geregelt werden sollen. Für landwirtschaftliche Betriebe, die gentechnikfreie Lebensmittel erzeugen, ist der Gesetzesvorschlag somit existenzgefährdend, in der Folgenabschätzung unabwägbar und daher dringend abzulehnen.“

Text erscheint im Nachrichtenbrief vom 20.02.2025, Autorin: Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL

20.02.2025
Von: Annemarie Volling, Nachrichtenbrief vom 20.02.2025