Viele Höfe erhalten durch praxisgerechten Umbau der Anbindehaltung

Praxisgerechte Umbaufrist und wirtschaftliche Perspektiven notwendig

Ende September befasst sich der Bundestag mit dem neuen Entwurf, nachdem im Juli der Bundesrat seine Stellungnahme abgegeben hat. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. begrüßt Maßnahmen, die den Umbau der Tierhaltung voranbringen und Tierschutzaspekte stärken. Bei einem weiter so wie bisher steht auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Tierhaltung auf dem Spiel und es drohen Gerichtsurteile, wie etwa beim Verbot vom Kastenstand für die Sauenhaltung. Ordnungsrechtliche Maßnahmen zum Tierschutz dürfen den massiven Strukturwandel der Milchviehbetriebe aber nicht forcieren, denn für eine zukunftsfähige, tiergerechte Landwirtschaft mit regionalen Kreisläufen braucht es viele Höfe in der Fläche und kurze Tiertransportwege. Die AbL erwartet vom Bundestag, dass keine Verschärfungen der Regelungen zur Anbindehaltung beschlossen werden. Die Umbaufrist für Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung muss weiterhin zehn Jahre betragen und auch für Hofnachfolger gelten. Auch die Ausnahmeregelung für Betriebe mit „höchstens 50 über sechs Monate alten Rindern“ ist noch nachvollziehbar (gegenüber den teils geforderten 25 Rindern). Die AbL plädiert aber für die sachgerechtere Definition „bis 50 angebundene Rinder“.

Die Kombinationshaltung soll unbefristet erlaubt bleiben, allerdings schließt die Definition weiterhin zu viele Betriebe aus. Anbindebetriebe müssen demnach Zugang zu Weideland während der Weidezeit und mindestens zweimal in der Woche Zugang zu Freigelände bieten.

Elisabeth Waizenegger, Milchbäuerin aus dem Allgäu und im AbL-Bundesvorstand kommentiert:

„Diese Kriterien entsprechen 1:1 der EU-Ökoverordnung und den Richtlinien zahlreicher Bioverbände für Kleinbetriebe. Die Vorgaben sind die gleichen, aber Biobetriebe können mit höheren Erzeugerpreisen rechnen als die konventionellen Halter. Aufgrund der unterschiedlichen Erlössituation sollten Unterschiede bei den Standards erkennbar bleiben. Die AbL plädiert deshalb dafür, dass für den Fortbestand möglichst vieler Höfe eines der beiden Kriterien „Weide oder Laufhof“ ausreichen soll, so wie dies auch in Österreich und der Schweiz der Fall ist.“

Die Verpflichtung zum Weidegang würde dagegen für den Großteil der Anbindebetriebe das Aus bedeuten. Denn im Bundesdurchschnitt bieten 32 Prozent der Betriebe Weidegang an, in Bayern als Land mit der höchsten Zahl an Anbindebetrieben sind es nur 19 Prozent. Gesellschaftlich zu verantwortende Faktoren erschweren den Weidegang: starke Zunahme von Verkehr, Verkehrswegen, die Siedlungsentwicklung in den Ortsrandlagen. Für viele andere und vor allem die wichtigen Betriebe der Alm- und Alpwirtschaft ist wiederum der Bau eines Laufhofs in beengten Ortslagen oft unmöglich.

Lucia Heigl, konv. Milchbäuerin aus der Oberpfalz und stellv. AbL-Bundesvorsitzende, ergänzt:  

„Die im Gesetzentwurf angesetzten Baukosten von 9.000 €/Tier für den Laufstall und 300 € für den Laufhof sind entschieden zu niedrig, sie liegen gegenwärtig bei 16.000 €/Tier und 600 €/Tier für einen einfachen Laufhof. Zudem fehlt seitens der Politik die angekündigte verbindliche Tierwohlkennzeichnung für die Rinderhaltung, damit werden die Betriebe im Unklaren gelassen, nach welchen Kriterien sie ihren Stall zukunftsfest machen sollen. Die AbL fordert eine Beratungs- und Förderoffensive für Weidehaltung, Laufhöfe und kostengünstige Stallumbauten.“

Hintergrund:

Bundesweit werden noch 11,5 Prozent der Milchkühe in der Anbindehaltung gehalten, mit stark abnehmender Tendenz. Der Bestand an Milchviehbetrieben hat sich zwischen 2010 und 2020 um 40 Prozent reduziert, im Sommer 2024 wurde ein Tiefststand von nur noch 49.452 Milchkuhbetrieben erreicht. Etwa die Hälfte davon wirtschaftet in Bayern. Von diesen ca. 24.000 Milchviehhaltern betreiben etwa 13.000 Höfe die Anbindehaltung, in Baden-Württemberg ca. 3.000.

Ein wesentlicher Grund, dass Betriebe noch nicht umgebaut haben, liegt an fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven. Die Milcherzeugerpeise sind seit vielen Jahren – mit Ausnahme 2022 – nicht kostendeckend und die Politik hat es versäumt, entsprechende Marktrahmenbedingungen zu installieren, damit die Höfe mehr Verhandlungsmacht am Markt haben, um höhere Preise durchzusetzen. Es braucht marktpolitische Maßnahmen für kostendeckende Preise auf den Betrieben, wie etwa die sofortige Umsetzung von Art. 148 GMO und das Verkaufsverbot unter Produktionskosten.

Bayern und Baden-Württemberg fördern die erstmalige Umstellung auf Laufstallhaltung mit 40 Prozent, in Bayern kommt noch das niedrigschwellige Bayerische Sonderprogramm hinzu (BaySL). Trotz gut ausgestatteter Fördertöpfe haben in Bayern von 2017 bis 2020 nur knapp 500 Betriebe diese Förderung in Anspruch genommen, also ca. 150 Betriebe pro Jahr. Angesichts explodierender Baukosten dürften sich diese Zahlen noch weiter reduzieren, wenn nicht durch eine Beratungs- und Förderoffensive gegengesteuert wird.

Kontakte:
Lucia Heigl
Stellvertretende AbL-Bundesvorsitzende
Mobil: 0160-5275873

Elisabeth Waizenegger
AbL-Bundesvorstand
Tel: 08330-1413

Andrea Eiter
Projekbearbeitung der AbL
Mobil: 0170-9913463

19.09.2024