„Die Ernährungssicherheit ist eine der horizontalen Prioritäten der polnischen EU-Präsidentschaft und einer der Grundpfeiler für die Sicherheit Europas,“ so der polnische Landwirtschaftsminister Czesław Siekierski am 27. Januar auf dem AGRIFISH-Rat in Brüssel, bei dem er auch das Arbeitsprogramm für die nächsten sechs Monate präsentierte. Die Präsidentschaft plane u.a. „die Rolle von Forschung und Innovation zu betonen“ – neben vielem anderen wollen sie die Diskussionen über neue Gentechnik- Verfahren (NGTs) fortsetzen.
Weder für die Patentproblematik noch für die Sicherung der Gentechnikfreiheit gibt es eine Lösung
Bereits am 7.01.2025 hat die polnische Ratspräsidentschaft einen Vorschlag zum weiteren Umgang mit dem stark kritisierten Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zu NGT-Pflanzen vorgelegt. Der polnische Vorschlag adressiert vor allem die Patent-Problematik. Polen schlägt vor, dass patentierte NGT-Pflanzen am Saatgut und in den Handelsdokumenten als patentiert gekennzeichnet werden und dass es möglich sein soll, patentiertes NGT-Saatgut auf den Flächen einzelner Mitgliedstaaten zu verbieten. Dazu kommentierte Claudia Gerster, Bäuerin und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V.: „Das greift viel zu kurz. Denn ein rechtssicheres Verbot von Patenten auf neue Gentechnik-Pflanzen lässt sich nur durch eine Änderung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erreichen.“ Gerster führte weiter aus: „Gleichzeitig zeigt der polnische Vorschlag keine Lösungen, um die Gentechnikfreiheit unserer Lebensmittelerzeugung zu sichern. Dazu müssen wirksame Koexistenz- und Haftungsregelungen und die Sicherung der gentechnikfreien Erzeugung entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorgeschrieben werden, sowie die Risikoprüfung aller NGTs, die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung bis zum Endprodukt. Solange diese Grundanforderungen nicht erfüllt sind, ist der Gesetzesvorschlag abzulehnen – im Sinne des EU-Vorsorgeprinzips, zur Sicherung unserer gentechnikfreien Wettbewerbsvorteile und unserer bäuerlichen Betriebe.“ (Link zur PM).
Keine Rechtssicherheit
Auch eine Analyse und Bewertung der AbL und die IG-Saatgut zeigt, dass der aktuelle Vorschlag in keiner Weise dazu beiträgt, die mit NGT verbundene Patentproblematik zu lösen. Denn das vorgeschlagene Überprüfungsverfahren bringt keine Rechtssicherheit. Patente würden trotz dieser Vorgehensweise weiter angemeldet und erteilt werden und damit entfalten sie auch ihre innovationshemmende Wirkung: Der Zugang zum Saatgut und zur Vielfalt wird eingeschränkt oder verboten. Das löst die damit einhergehenden Probleme der Züchter:innen und Bäuer:innen nicht. Rechtssicherheit würde nur ein Verbot der Patentierung von NGT´s bzw. GVOs bringen, dies ist nur über eine Änderung des Europäischen Patentrechts (EPÜ) möglich. Auch die vorgesehene Kennzeichnung bei patentiertem NGT-1-Saatgut oder die Möglichkeit eines Opt/Out (also ein nationales oder regionales Anbauverbot) seien nur Makulatur. Denn Patente können weiter erteilt werden und damit ihre Wirkung entfalten. Das Opt/Out ist freiwillig und hängt von der Regierung der Mitgliedstaaten – und bspw. in Deutschland auch der Bundesländer ab. Damit kann das Opt/Out schnell zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in den Mitgliedstaaten oder Regionen führen. Opt/Out kann auch jederzeit von einer Folgeregierung zurückgenommen werden. Was es hingegen brauche, um die Wahlfreiheit von Verbraucher:innen und die Entscheidungsfreiheit aller Akteure in der Lebensmittelerzeugungskette hinsichtlich Gentechnik zu wahren, sind wirksame Koexistenz- und Haftungsregelungen für alle NGTs, Rückverfolgbarkeit und Rückholbarkeit, Nachweispflicht und Kennzeichnung bis zum Endprodukt. Es braucht eine Risikoprüfung- und bewertung sowie ein Zulassungsverfahren und Stoppmechanismen im Falle von Schäden, so AbL und IG Saatgut. Dazu äussert sich der polnische Vorschlag leider nicht, obwohl dies für viele Mitgliedstaaten und gentechnikkritische Organisationen wichtige Forderungen sind.
Dissens beim BDP
Anders sieht es wie zu erwarten, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP). Einerseits haben sie „einen Dissens im Verband,“ wenn es um den Umgang mit Patenten geht, so Justus Böhm, Kartoffelzüchter und Vorstand im BDP auf der Internationalen Grünen Woche. Kleine und mittlere Unternehmen setzten auf einen durch das Züchterprivileg garantierten freien Zugang zum Ausgangsmaterial für Neuzüchtungen. Größere Mitglieder sähen das durchaus anders. Momentan sei der BDP-Kompromiss eine Sammelplattform, die den Zugang auch zu patentiertem Material für alle ermögliche. Das sei aber nur eine Übergangslösung, so Böhm. Unklar sei aber, wie es perspektivisch weitergehe. Gleichzeitig erklärte Stephanie Franck (Vorsitzende des BDPs), dass sie auf Bewegung durch die polnischen Vorschläge zu Patenten hoffe. Obwohl sie für ihr Züchtungsunternehmen die ökologische Landwirtschaft als wichtigen Handelspartner etabliert habe, sehe sie die geplante Deregulierung von NGT-Pflanzen der EU-Kommission nicht als Gefahr. Es müsse ein praktikables System für ein Nebeneinander ohne unerträgliche Haftungsregelungen her.
Özdemir: Recht auf Gentechnikfreiheit
Beim EU-Agrarrat am 27.01.2025 äußerte sich Bundesminister Cem Özdemir in einem Interview zu NGT: „Verbraucher, die NGT-freie Produkte wünschen, sollten das Recht haben, diese Produkte auch in Zukunft zu erhalten. Ob es sich um konventionelle Landwirtschaft handelt, sollten die Verbraucher entscheiden, welche Art von Produkten sie wollen. Wir sollten sie nicht zwingen, Produkte zu kaufen, die sie nicht wollen. Es liegt an ihnen. Daher sollten wir Transparenzmaßnahmen ergreifen und ein System schaffen, das es dem NGT-freien Markt ermöglicht, NGT-frei zu bleiben, wenn sie es wollen. Und offensichtlich gibt es einen Markt dafür, also sollten wir ihnen die Chance geben, ihren eigenen Markt zu schützen.“ Eine klare Äußerung, für deren Umsetzung Minister Özdemir aktiv werden muss.
Konventionelle Verbände für strikte Gentechnik-Regeln
Anfang Januar hatten bäuerliche und konventionelle Verbände ein gemeinsames Positionspapier zum Deregulierungsvorschlag der EU-Kommission auf den Weg gebracht. Darin fordern die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, die IG-Nachbau und das Katholische Landvolk, die Sicherung der gentechnikfreien Erzeugung und des EU-Vorsorgeprinzips durch strikte Regeln für neue Gentechniken.
Wie weiter?
Am 20. Januar tagte das erste Mal die sog. Ratsarbeitsgruppe zum polnischen Vorschlag. Dem Vernehmen nach sagte viele Delegationen, dass sie mehr Zeit bräuchten, um eine Position zu finden und beurteilten den Vorschlag kritisch. Auch von den Deregulierungsbefürwortern gab es Bedenken, sie meinen, dass der Verwaltungsaufwand übermäßig sei. Fraglich sei, ob der Vorschlag mit bestehendem Patentrecht und dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) vereinbar sei. Auch die Rechtsunsicherheit für Züchter:innen wurde angemerkt. Viele Mitgliedstaaten äußerten sich auch zu den bestehenden anderen Problemen des Gesetzesvorschlags der Kommission, die mit dem polnischen Vorschlag nicht gelöst werden. Die nächste Sitzung findet am 14. Februar statt. Derweil betonte Klaus Berend, Direktor für Lebensmittelsicherheit, Nachhaltigkeit und Innovation in der Generaldirektion für Gesundheit (DG SANTE) der EU-Kommission, dass sie die die Beratungen weiter voranbringen wollen und an einem mehrheitsfähigen Kompromiss mit dem Parlament und dem Ministerrat arbeiteten. Es gibt Gründe genug, dran und aktiv zu bleiben.