Die Diskussion um die künftige Regulierung der von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) hat dazu geführt, dass auch das Thema Patente erhöhte Aufmerksamkeit findet. EU Parlament und Mitgliedsländer versuchen Patente auf NGT Pflanzen einzuschränken bzw. zu verbieten. Das internationale Bündnis von Keine Patente auf Saatgut! fordert, dass zumindest alle Pflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind, auch nicht patentiert werden vom Patentschutz ausgenommen werden. Dazu gehören nach Auffassung des Bündnisses auch alle Pflanzen aus Zufallsmutagenese.
Vor diesem Hintergrund hatte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Keine Patente auf Saatgut! begrüßt die Vorlage des Gutachtens. Allerdings teilt sie die Einschätzung des Gutachters in wichtigen Punkten nicht. Dies gilt insbesondere für die Chancen eines Verbots von Patenten auf Pflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind. Das Gutachten wurde Anfang Dezember im EU-Parlament online vorgestellt. Es stellt in Frage, ob die Vorschläge des EU-Parlaments und des EU-Ministerrats zu möglichen Verboten oder Einschränkungen der Patentierung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) tatsächlich umsetzbar sind. Keine Patente auf Saatgut! stimmt hier mit dem Gutachten überein, dass die Vorschläge, die dazu bisher auf dem Tisch liegen, kaum wirkungsvoll sein können. Der Grund: Um Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen zu verbieten, müsste man internationale Verträge wie das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) abändern.
Ein Patentierungsverbot für nicht gentechnisch veränderte Pflanzen, insbesondere für Pflanzen aus Zufallsmutagenese, wird im Gutachten als strittig dargestellt. Derartige Pflanzen weisen lediglich zufällige genetische Veränderungen auf. Dagegen ist es mit Hilfe der Gentechnik möglich, spezifische Gene direkt einzufügen oder zu verändern. Aus diesen Gründen gilt die Gentechnik im europäischen Patentrecht als technische Erfindung und ist von den sonst geltenden Verboten der Patentierung von Pflanzen und Pflanzenzüchtung ausgenommen.
Keine Patente auf Saatgut! kommt zu der Einschätzung, dass das Gutachten hier zu undifferenziert vorgeht. Es berücksichtigt die historischen, biologischen und technischen Unterschiede zwischen Gentechnik und sonstiger Züchtung nicht und schätzt deswegen die rechtlichen Spielräume falsch ein. Nach der Analyse von Keine Patente auf Saatgut! besteht ein ausreichender Spielraum, um auf der Ebene der EU Patente auf Pflanzen aus Zufallsmutagenese zu verbieten. Ein entsprechendes Verbot fällt in den Bereich der Interpretation des EPÜ und setzt keine Änderung des EPÜ selbst voraus. Das Ziel der EU sollte es deswegen sein, zumindest konventionell gezüchtete Pflanzen komplett vom Patentrecht auszunehmen. Keine Patente auf Saatgut! sieht im Gutachten ähnliche Tendenzen wie vor 2017. Damals setze die EU schon einmal eine Verschärfung der Verbote für konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere durch. Zu diesem Zweck wurde eine neue Regel zur Auslegung des bestehenden Rechts beschlossen. Zuvor aber hatten viele Expert*innen die Auffassung vertreten, dass so eine Initiative nicht erfolgreich sein könne. Doch die EU hat sich schon damals durchgesetzt und sollte dementsprechend auch jetzt nicht zögern, diese Forderung mit Nachdruck zu vertreten.
Auch weitergehende Verbote der Patentierung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren, die eine Abänderung des EPÜ selbst erfordern würden, werden von Keine Patente auf Saatgut! befürwortet. Allerdings sind für deren Umsetzung lange Zeiträume von etwa 10 Jahren zu veranschlagen. Dagegen kann das Verbot der Patentierung von Pflanzen, die nicht gentechnisch verändert sind, innerhalb von nur wenigen Monaten von der EU beschlossen werden. Da in Europa bereits über 1.000 konventionell gezüchtete Pflanzensorten von Patenten betroffen sind, sind entsprechende Verbote besonders dringlich.
Autor: Christoph Then, Geschäftsführer von Testbiotech und Sprecher des internationalen Bündnisses No Patents on Seeds / Keine Patente auf Saatgut!