Es kommen immer mehr Gentechnik (GV)-Pflanzen auf den Markt, die Kombinationen mehrerer GV-Eigenschaften tragen. Diese „stacked“ (gestapelten) GV-Pflanzen produzieren meist Insektengifte (Bt-Toxine) und sind gleichzeitig gegen Herbizide wie Glyphosat resistent. Die erste GV-Sojabohne mit diesen Eigenschaften war „Intacta“ (MON87701 X MON89788) von Monsanto (jetzt Bayer). Intacta produziert ein Insektengift, ein sogenanntes Bt-Toxin, und ist gleichzeitig unempfindlich gegen den Wirkstoff Glyphosat (enthalten u. a. in Roundup).
Kombinationswirkungen nicht geprüft
Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass die kombinierten GV-Pflanzen nur unzureichend auf gesundheitliche Risiken geprüft werden. Vor allem werden mögliche Wechselwirkungen zwischen den Glyphosat-Rückständen und dem Insektengift nicht untersucht. Zudem bestehe der Verdacht, dass mit dem Verzehr der GV-Soja ein erhöhtes Risiko für Immunkrankheiten einhergeht. Aus diesen Gründen reichten der Verein Testbiotech, das Europäische Netzwerk kritischer Wissenschaftler*innen (ENSSER) und der Verein Sambucus im März 2013 Klage gegen die EU-Kommission ein, die 2012 den Import von Intacta zur Verwendung in Lebens- und Futtermitteln zugelassen hatte. Monsanto, die englische Regierung und die EFSA traten der Klage auf Seiten der Kommission bei. Ende 2016 wies der EuGH die Klage ab (C-82/17 P). Nach Auffassung des Gerichts konnten die Kläger keine neuen Risiken für Umwelt und Verbraucher „nachweisen“. Diese Auslegung wäre eine Umkehr der Beweislast gewesen, kritisierte Christoph Then von Testbiotech, denn „im Gegensatz zur Auffassung des Gerichts liegt die Beweispflicht dafür, dass diese Pflanzen sicher sind, bei der Industrie.“
Grundlegende Überarbeitung der Risikoprüfung
Im Januar 2017 veröffentlichte Testbiotech eine wissenschaftliche Publikation, die zeigte, dass die Risiken der gentechnisch veränderten Sojabohnen tatsächlich nicht ausreichend untersucht wurden und forderte, dass GV-Pflanzen, die kombinierte Eigenschaften aufweisen, einer besonders gründlichen Risikoprüfung unterzogen werden müssen. Insbesondere müssen die Wechselwirkungen zwischen dem Pflanzengenom und Umweltstressfaktoren sowie daraus resultierende Auswirkungen, bspw. auf die Zusammensetzung der Pflanzeninhaltsstoffe systematisch untersucht werden. Im Hinblick auf Intacta müsse insbesondere die Wirkungen des Bt-Giftes auf das Immunsystem detailliert untersucht werden, weil die Gefahr bestünde, dass dieses allergische Reaktionen auf Soja-Allergene verstärkt könne. Auch die möglichen kombinatorischen Wirkungen der Herbizid-Rückstände mit dem Bt-Toxin müsse geprüft und bewertet werden.
Schutz von Mensch und Umwelt
Dies alles sei bei Intacta nicht berücksichtigt, deshalb legten die Kläger Anfang 2017 Revision ein, einerseits um rechtlichen Fragen (wie die der Beweislast) zu klären, aber auch um höhere Standards für die Zulassungsprüfung von GV-Pflanzen durchzusetzen. Am 12. September 2019 wies der EuGH die Klage zurück. Dem Gericht nach seien die Risiken der GV-Soja ausreichend untersucht worden. In einer ersten Bewertung fordern die Kläger die neue EU-Kommission auf, „dem Schutz von Mensch und Umwelt mehr Gewicht einzuräumen, als den Interessen der Konzerne“, so Angelika Hilbeck von ENSSER. Laut Testbiotech wurden inzwischen 70 GV-Pflanzen zum Import genehmigt. Viele seien gleich mehrfach genetisch verändert. Christoph Then fordert: „Die gesundheitlichen Risiken des Verzehrs von Nahrungsmitteln, die diese Pflanzen enthalten, müssen wesentlich genauer untersucht werden. Vor allem müssen auch die spezifischen Kombinationswirkungen der in den Pflanzen gebildeten Insektizide mit den Rückständen der eingesetzten Komplementär-Herbizide untersucht werden.“ Testbiotech erwägt mögliche weitere Klagen. Hilfreich dabei könnte eine neue EU-Verordnung sein (Regulation 503/2013), die etwas höhere Standards vorschreibt und bestimmte Mindeststandards auch gesetzlich verbindlich regelt.
Ende Oktober werden in der Schweiz die Ergebnisse eines mehrjährigen Forschungsprojektes (RAGES) vorgestellt, an dem rund ein Dutzend industrieunabhängige europäische Wissenschaftler*innen beteiligt waren. Dort werden mehrere Berichte zu den Mängeln der bisherigen Zulassungspraxis in der EU und der Schweiz veröffentlicht. Testbiotech, ENSSER und GeneWatch UK erwarten, dass das Ergebnis zu wesentlichen Verbesserungen in der Gentechnik-Politik der EU beitragen wird.
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