Teilnehmer*innen einer Verbraucherkonferenz des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) stellten Ende Oktober ihr Votum zum Umgang mit den neuen Gentechnik-Verfahren vor. Ihre zentralen Forderungen lauten: „Beibehaltung des Vorsorgeprinzips“, „Sicherung der Wahlfreiheit der Verbraucher“, „Informationsfreiheit und Transparenz“, „Vorrang sozialer Aspekte vor wirtschaftlichen Interessen“, „Reform des Patentrechts“ mit dem Ziel, kein Patentschutz auf Lebewesen, „Haftungsregelung für unerwartete Schäden durch den Hersteller“ sowie „Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln“.
Intensive Debatten
Erarbeitet haben das Votum 20 Verbraucher*innen, die das BfR aus einer größeren Bewerberrunde ausgesucht hatte. Moderiert wurden die drei Wochenenden von einem Kommunikationsunternehmen im Bereich Biotechnologie (BIOCOM AG). Am dritten Wochenende wurden 13 Expert*innen – drei davon waren gentechnikkritisch – zu verschiedenen Themenbereichen befragt. Daran anschließend erstellten sie ihr Verbrauchervotum, dass allerdings am Ende nicht mehr von allen Korrektur gelesen werden konnte, so eine Kritik der Teilnehmer*innen.
Unabhängige Risikoforschung und klarer Rechtrahmen
Bei einer öffentlichen Konferenz des BfR stellten die Verbraucher*innen ihr Votum vor. Kompromisslos aber auch kompromissbereit seien sie gewesen. Sie wünschten sich, dass die Ergebnisse im politischen Prozess berücksichtigt werden. Klar sei ihnen, dass globale Probleme nicht durch einzelne neue Techniken lösbar seien. Genom-Editing sei ein Werkzeug, das vielfältige Möglichkeiten eröffne, für das es aber einen verantwortungsvollen Umgang brauche. Regeln seien notwendig, die auch den Erhalt der Biodiversität, den Schutz des Bodens und soziale Aspekte berücksichtigt. Es gelte die Züchtung voranzutreiben, Genom-Editing sei dabei aber immer nur die zweite Wahl. Es brauche eine unabhängige Risikoforschung vor einer möglichen Freisetzung. Diese müsse finanziert werden. Ergebnisse der Gentechnik-Forschung sollten offen gelegt werden. Es brauche einen klaren Rechtsrahmen, jedes Verfahren solle gemeldet werden. Und eine strenge Haftung bei unerwünschten Schäden durch die neuen Gentechnik-Produkte. Schutz von Mensch, Tier und Umwelt müsse Vorrang vor der Erzielung von Profit haben. Gefordert wurde eine klare Kennzeichnung der Gentechnik und Wahlfreiheit. Häufig würde versucht, durch die neuen Gentechnik-Verfahren Symptome zu beheben, statt die Ursachen anzugehen. Im Zulassungsverfahren solle geprüft werden, ob die Pflanzen nachhaltig seien, welche Auswirkungen sie auf die Artenvielfalt, Boden und Klima haben. Das Vorsorgeprinzip sei immer anzuwenden.
Verkürzte Debatte
Im Anschluss des Vortrags der Verbraucher*innen erhielt das Publikum das ausgedruckte Verbrauchervotum und nach kurzer Lesepause kommentierten verschiedene Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Verbraucherschutz und Technikfolgenabschätzung sowie abschließend das BfR das Papier. Die Verbraucher*innen saßen nicht auf dem Podium. Diese Vorgehensweise führte dazu, dass die Podiumsteilnehmer*innen sich nicht mit dem Verbrauchervotum auseinandersetzten (konnten), sondern viel eher ihre (bekannten) Positionen darstellten oder sich „Rosinen heraus pickten, die zum eigenen Narrativ passen“, kommentierte Daniela Wannemacher vom BUND die Diskussionsrunde. Stattdessen forderte Wannemacher das BfR und das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf, das Votum der Verbraucher*innen in seiner Gesamtheit ernst zu nehmen. Auch Christof Potthof vom Gen-ethischen Netzwerk unterstrich diese Kritik: „Die BfR-Konferenz – insbesondere der Tag der Präsentation des Votums – legt den Schluss nahe, dass das Amt vor allem einen Anlass schaffen wollte, um selbst über das Thema Genome Editing zu sprechen. Wenn es ein echtes Interesse an dem Votum der Verbraucher*innen gegeben hätte, dann wäre es ein Leichtes gewesen, diesem mehr Raum zu geben.“
Produkt oder Prozess?
Deutlich wurde dies an einem politisch sehr brisanten Punkt. So griff
Dr. Lorenz Franken, Leiter der Abteilung Gesundheitlicher Verbraucherschutz im BMEL unter anderem ein - aus seiner Sicht zentrales – „Ergebnis“ des Verbrauchervotums heraus. Die Verbraucher*innen würden sich für einen Produkt- und nicht Verfahrensbasierten Ansatz in der Sicherheitsbewertung bei den neuen Techniken aussprechen. Auch bei der Vizepräsidentin der Leopoldina,
Bärbel Friedrich, wurde Widerspruch deutlich. In ihrem Statement sagte sie, dass sie die Aussage der Verbraucher*innen, dass die neuen Techniken „sehr wirkungsmächtig“ seien, sehr treffend finde. Sie seien universell einsetzbar, schnell und kostengünstig. Trotzdem plädierte sie dafür, dass kurzfristig das Gentechnikgesetzt so zu ändern sei, dass geringfügige kleine Veränderungen am Genom nicht reguliert werden müssten und auch nicht arteigene Veränderungen. Gentechnik bedeutet für sie kein größeres Risiko oder Gefahr, sondern verschaffe neue Zukunftsperspektiven und Hoffnungen, die drängenden Probleme auch irgendwann lösen zu können.
Verfahrensbasierter Ansatz
In der Tat ist die Frage, ob das verwendete Verfahren die Risikoprüfung des Endproduktes auslöse, eins der Hauptstreitpunkte bei der Gentechnikauseinandersetzung.
Anne Markwardt vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) betonte in ihrem Beitrag, dass sie das Votum der Verbraucher*innen anders lese als der BMEL-Vertreter. Die Verbraucher*innen würden Genom-Editing nicht per se ablehnen, es sollte aber ein Zulassungsverfahren und Risikoprüfung aller Produkte geben, die aus diesen neuen Techniken hergestellt worden seien. Auf Nachfrage der Bauernstimme sagte Markwardt, dass die Verbraucher*innen ihrer Auffassung nach nicht dafür votiert hätten, vom verfahrensbasierten Ansatz abzurücken. Viele der Aussagen im Votum zeigten zudem erneut, was aus anderen Verbraucher*innen-Befragungen bekannt sei: Viele Menschen trauten den Versprechen der Industrie nicht, dass Gentechnik zu mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft führe. „Nach wie vor lehnt eine Mehrheit der Verbraucher*innen in Deutschland Gentechnik auf dem Acker ab. Damit sie aber über ihre Kaufentscheidungen zeigen können, welche Art von Landwirtschaft sie unterstützen möchten, ist es wichtig, dass gekennzeichnet wird, wenn Gentechnik zum Einsatz gekommen ist. Nur so wird die Wahlfreiheit erhalten“, so Markwardt. Der vzbv begrüße deshalb das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach die neuen Gentechnik- Verfahren als Gentechnik anzusehen seien und im Sinne des Vorsorgeprinzips den Regeln der GVO-Richtlinie unterlägen.
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