Politik muss Schlupflöcher endlich schließen

Beschwerdekammer erteilt erneut Patentierung konventioneller Lebewesen eine Absage

Pflanzen und Tiere aus herkömmlichen Züchtungsverfahren dürfen nicht patentiert werden, das bestätigte die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) in ihrem lang erwarteten „G3/19“-Urteil am 14. Mai 2020. Das ist ein wichtiger Etappensieg für das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut“, das seit Jahrzehnten gegen die Patentierung konventionell gezüchteter Pflanzen und Tiere kämpft. In ihrem richtungsweisenden Urteil entschied die Kammer erneut, dass Pflanzen und Tiere aus „im Wesentlichen biologischen“ Züchtungsverfahren nicht patentierbar sind. Allerdings gibt es noch immer problematische Schlupflöcher, die die Patentierung von Pflanzen und Tieren möglich machen. Deshalb fordert das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut“, dass diese nun geschlossen werden. Statt aber die offenen Fragen zu klären, beendete der Präsident des EPA, António Campinos, Anfang Juni das Moratorium, das seit Anfang 2019 gilt und die Prüfung von Patenten auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung stoppte. Grenzen setzen Der Patentierung müssen klare Grenzen gesetzt werden, so der Appell von rund 40 Organisationen an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht Ende Juni. Die Bundesregierung ist im Verwaltungsrat des EPA vertreten, der über die korrekte Auslegung der Patentgesetze wacht. Diese Position müsse nun genutzt werden, forderten die Organisationen. In einem Gespräch zwischen Ministerin Lambrecht, der AbL und „Keine Patente auf Saatgut“ im Mai hatte die Ministerin zugesagt, dass sie sich bei positivem Ausgang der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer dafür stark machen will, dass das Verbot der Patentierung konventionell gezüchteter Pflanzen und Tiere endlich umgesetzt wird. „Jetzt muss Ministerin Lambrecht aktiv werden, bevor weitere strittige Patente erteilt werden. Dies setzt den Koalitionsvertrag um und betrifft grundlegende Fragen von Gerechtigkeit und Ethik. Pflanzen und Tiere dürfen nicht patentiert und monopolisiert werden“, so Georg Janßen von der AbL. Kein Patent auf Bier Trotz eindeutiger Regeln hat das EPA immer wieder Patente auf Pflanzen und Tiere erteilt, die aus zufälligen Prozessen und nicht technischen Verfahren wie der Gentechnik hervorgegangen sind. Berühmte Beispiele sind drei Patente auf Gerste und Bier, die den Firmen Carlsberg und Heineken erteilt wurden. Die Patente erstrecken sich auf Eigenschaften wie eine verbesserte Geschmacksentwicklung und Schaumqualität. Gezüchtet wurden die Braugersten unter Einsatz chemischer Mutagenese, d. h., die Eigenschaften sind zufällig durch induzierte Mutationen entstanden und dann selektiert worden. Das ist weder eine Erfindung noch ein neues Verfahren. Hinzukommt, dass die Ansprüche der Patente sehr weitreichend sind und sich auf die Braugersten-Pflanzen, deren Ernte, den Prozess des Bierbrauens, Produkte wie Malz und Würze sowie jegliche auf diese Weise produzierten Getränke erstrecken. Gegen diese Patente hatten u. a. Braugerste-Erzeugergemeinschaften, die AbL und die IG Nachbau Einspruch erhoben. So konnten einige der Ansprüche eingeschränkt werden. Allerdings sind die Patente nicht grundsätzlich abgelehnt worden,  obwohl die Züchtungsverfahren „im Wesentlichen biologische Verfahren“ – und damit nicht patentierbar – sind. Klärungsbedarf Diese Patentierungspraxis des EPA steht schon seit Jahren in der Kritik. Im Sommer 2017 wurden aufgrund des Drucks die Prüfrichtlinien des EPA geändert. Damit sollte das Patentierungsverbot von „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ gestärkt werden. Seitdem wurden keine Pflanzen und Tiere mehr patentiert, die aus Kreuzung und Selektion entstanden sind – ein Fortschritt. Allerdings wurden weiter Patente auf Pflanzen erteilt, bei denen nach dem Zufallsprinzip ausgelöste Mutationen beschrieben werden. Dieser Widerspruch zur eigenen Prüfrichtlinie muss aufgehoben werden. Es braucht eine Definition von „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ und eine Abgrenzung zu „technischen Methoden“ wie der alten und neuen Gentechnik, in der es um „möglichst gezielte Veränderungen“ im Genom geht. Neben konventionellen Züchtungsverfahren wie Kreuzung und Selektion sind ebenso Methoden der chemischen und physikalischen Mutagenese von der Patentierung auszuschließen. Zudem muss die Reichweite von Patenten strikt auf den Prozess begrenzt werden, der zur Generierung solcher Pflanzen eingesetzt wird (wie der Gentechnik) – sie dürfen sich nicht auf andere Pflanzen und Tiere erstrecken, die entsprechende züchterische Merkmale aufweisen, aber aus konventioneller Züchtung stammen. Artikel aus der Unabhängigen Bauernstimme (Juli2020), Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL. Zum Link_hier.
03.07.2020
Von: Annemarie Volling, Unabhängige Bauernstimme (7/8 2020)