Der Teufel im Detail

Patente behindern Vielfalt in der Pflanzenzüchtung – Beispiel Gerste Gerade wenn man sich mit Details, mit besonderen Eigenschaften, in der Pflanzenzüchtung beschäftige, könnten Patente einem einen Strich durch die Rechnung machen. Das führte der wendländische Getreidezüchter Karl-Josef Müller aus, der seit langem Sorten speziell für die besonderen Ansprüche des Ökolandbaus züchtet. „Besondere Eigenschaften in Richtung Nutzbarmachung voranzubringen, ist ein langwieriger Prozess mit oft ungewissem Ausgang“, berichtet er auf einer Pressekonferenz von „No Patents on Seeds“ im Vorfeld einer mit Spannung erwarteten Entscheidung der technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in München. Es ging um eines der inzwischen zahlreichen Patente der Firma Carlsberg, die sich um konventionell gezüchtete Gerste drehen. Die bereits erteilten Patente erstrecken sich von der Gerste selbst über die Ernte bis zum gebrauten Bier. Auch das jetzt vor der Beschwerdekammer behandelte Patent umschreibt keine wirklichen Neuheiten; es handelt sich stets um durch Mutationen entstandene Veränderungen im Erbgut der Gerste, wie sie immer wieder auch in der Natur vorkommen. Trotzdem wies die Beschwerdekammer die Einwände des Aktionsbündnisses „No Patents on Seeds“ als nicht relevant zurück und bestätigte die Gültigkeit des bereits erteilten Carlsberg-Patentes. „Das ist nicht nur ein schlechter Tag für Brauereien und die Gerstenzucht, weil ein Patent bestätigt wurde, das gar nicht erst hätte erteilt werden dürfen. Derartige Patente beeinträchtigen die Vielfalt auf dem Acker, den Fortschritt in der Züchtung und die Interessen der VerbraucherInnen“, schreibt Christoph Then in einer Pressemitteilung der deutschen „Kein Patent auf Saatgut“-Bewegung. Auch wenn es bei dem von Züchter Karl-Josef Müller beschriebenen Carlsberg-Patent um ein anderes geht, ist die Geschichte vergleichbar: Schon in den 1990er Jahren hatte er angefangen, nach Gerstensorten zu suchen, die sich durch einen niedrigen Amylopektingehalt auszeichnen. Damit einher geht ein milderer Geschmack. Nachdem er Zuchtmaterial aus Japan bekommen hatte, begann er mit der langjährigen Sortenentwicklung, dem Einkreuzen in vorhandene Sorten, dem Selektieren und Weiterkreuzen. Irgendwann wurde er auf die Carlsberg-Patente aufmerksam. Er konnte nur schwerlich in Erfahrung bringen, ob die Eigenschaft „Amylopektingehalt“ auch im Fokus von Carlsberg war. Irgendwann war klar, es gibt einen entsprechenden Patentantrag. „Wir hätten damit nicht nur die Gebühren für die Registrierung der eigenen Sorte bezahlen müssen, sondern es drohten auch erhebliche Kosten für unerwartete rechtliche Fragen. Das ist für uns schlichtweg nicht finanzierbar“, sagt Müller. Schließlich sei im Unterschied zu Patenten, die auf bloße Eigenschaften erteilt würden, die Sortenentwicklung bis zum Sortenschutz ein langwieriger und kostenintensiver Prozess, der dann auch gar nicht immer an den Punkt führe, an dem sich Sorten im Markt amortisierten. Zum Glück habe Carlsberg den Patentantrag vor kurzem wieder zurückgezogen. Christoph Then betont auf der Pressekonferenz von „No Patents on Seeds“ einmal mehr, dass eigentlich alle politischen Institutionen auf EU- wie auch auf Bundesebene Patente auf konventionell gezüchtete Sorten ablehnen. Nur das Europäische Patentamt setze sich – offenbar aufgrund starken Drucks aus der Wirtschaft – immer wieder darüber hinweg. Der Artikel als pdf_hier.
30.06.2021
Von: Claudia Schievelbein, Unabhängige Bauernstimme