GAP-Strategieplan nachbessern: für ein friedliches, soziales und umweltfreundliches Europa

Die Verbände-Plattform ruft im Vorfeld der Agrarminister:innen-Konferenz vom 30. März bis 01. April 2022 Bund und Bundesländer zu Verbesserungen am GAP-Strategieplan auf und lehnt aufkommende Forderungen nach Aufweichung und Verschiebung der Umweltziele der EU-Agrarpolitik strikt ab. Ernährungssicherung sowie Umwelt-, Tier- und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern sind für ein zukunftsfähiges und sicheres Ernährungssystem gleichermaßen unverzichtbar.

Der deutsche GAP-Strategieplan verfehlt die Ziele beim Klimaschutz, bei der Wiederherstellung der Biodiversität, beim Ausbau des Ökolandbaus, beim Umbau der Nutztierhaltung sowie einer zielgerichteten Einkommensstützung der Landwirt:innen. Selbst die wenigen zaghaften Verbesserungen werden angesichts des Krieges gegen die Ukraine von einigen Interessengruppen grundsätzlich in Frage gestellt. Dabei sind gerade die im European Green Deal sowie in der Farm-to-Fork- und EU-Biodiversitätsstrategie verankerten Ziele die Grundlage für ein resilientes und langfristig nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem. Die Biodiversitäts- und Klimakrise bleiben auch in der aktuellen Situation drängende Herausforderungen, denen politisch begegnet werden muss. Sie müssen zudem sehr viel stärker als bisher mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit verknüpft werden.

Der GAP-Strategieplan ist weitgehend auf eine Unterstützung der bisherigen pauschalen Einkommenssicherung durch die Basisprämie ausgerichtet, die als „Honorierung von Gemeinwohlleistungen und Ausgleich höherer Standards“ nur umetikettiert wird. Die Landwirtschaft befindet sich in einem Transformationsprozess, den es auch in der Ausgestaltung der bislang weitgehend pauschalen Agrarförderung mitzugestalten gilt. Hierfür hat die EU die Definition der landwirtschaftlichen Tätigkeit um die Bereitstellung öffentlicher Güter erweitert, welche nun im Sinne der Farm-to-Fork-Strategie sowie den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft so auszugestalten ist, dass eine angemessene und motivierende Honorierung von Gemeinwohlleistungen stattfindet. Eine Möglichkeit hierzu eröffnet das neue Instrument der Öko-Regelungen.

Die zeichnenden Verbände rufen Bund und Bundesländer auf, ihren Verpflichtungen zum Schutz der Umwelt und des Klimas, zur Verbesserung des Tierschutzes, der Ernährungssicherung und der sozialen Gerechtigkeit konsequent nachzukommen. Offenkundige Schwachstellen des GAP-Strategieplans müssen schnellstmöglich nachgebessert werden. Die AMK hat insbesondere bezüglich der Ausgestaltung der Länderprogramme in der 2. Säule eine besondere Verantwortung. Weidehaltung von

  • Milchkühen honorieren

Das Potenzial von Milchkühen auf der Weide für den Tier-, Klima- und Artenschutz ist enorm. Trotzdem gehören Milchviehbetriebe mit Weidehaltung zu den Verlierern dieser Reform, da sie mit weitreichenden Prämienverlusten konfrontiert sind, welche sich unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen nicht ausgleichen lassen. Dem gesellschaftlichen Wunsch einer auf Weidehaltung basierenden Milchviehhaltung wird damit ebenso wenig entsprochen wie der Notwendigkeit einer vielfältigen Bewirtschaftung von Grünland. Die zeichnenden Verbände fordern daher die Einführung einer deutschlandweiten Förderung von flächengebundener Weidehaltung für Milchkühe.

  • Zielmarken des Ökolandbau nicht nur nennen sondern auch finanzieren

Die Ausgestaltung des GAP-Strategieplans muss konsequent auf das Ziel der Bundesregierung von 30 Prozent an ökologisch bewirtschafteter Fläche bis 2030, sowie der jeweiligen Zielsetzung der Bundesländer, ausgerichtet werden. Auch wenn das 30-Prozent-Ziel im Strategieplan genannt ist, wird nur ein Flächenwachstum auf 14 Prozent bis 2027 wirklich eingeplant. Selbst dieses unzureichende Flächenziel wird nicht ausreichend finanziert. Hinzu kommt, dass auch Biobetriebe im Vergleich zur jetzigen Förderperiode deutliche Verluste bei den Zahlungen der 1. Säule hinnehmen müssen. Hintergrund ist der Verlust des Status „Green by Definition“ durch den Wegfall des Greenings, dass bestimmte Öko-Regelungen zusammen mit der Bio-Prämie der 2. Säule nicht nutzbar sind bzw. relevante Prämienabzüge bei der Bio-Prämie vorgenommen werden, sowie mangelnde Kombinationsmöglichkeiten zwischen den Öko-Regelungen bzw. Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (2. Säule) und der Bio-Prämie. Die zeichnenden Verbände fordern daher von den Bundesländern eine deutliche Erhöhung der geplanten Bio-Prämien in der 2. Säule sowie eine Ausweitung der Kombinationsmöglichkeiten im Rahmen der zulässigen Möglichkeiten zwischen Öko-Regelungen/Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen  und der Bio-Prämie in der 2. Säule.

  • Biodiversitätsziele erreichen

Der Rückgang der Artenvielfalt ist für den Menschen, sowie für die Landwirtschaft im speziellen, existenzbedrohend. Trotzdem wird das Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie von 10 Prozent ökologisch wertvoller Flächenanteile in den Agrarlandschaften mit dem vorliegenden GAP-Strategieplan nicht erreicht. Hauptgründe sind die geschaffenen Ausnahmeregelungen in der Konditionalität sowie eine mangelnde Honorierung in der Förderung. Die zeichnenden Verbände fordern den GAP-Strategieplan über alle Instrumente der 1. und 2. Säule hinweg so zu verbessern, dass die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie erreicht werden.

  • Klimaschutz und Klimaanpassung wirksam umsetzen

Die EU-Kommission hat sich das Ziel gesetzt, dass 40 Prozent der GAP-Gelder zum Klimaschutz beitragen sollen. Eine Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes hat ergeben, dass dieses Ziel mit dem GAP-Strategieplan weit verfehlt wird. Die mit der Basisprämie verknüpfte Konditionalität hat praktisch keine positive Klimawirkung und die für die Öko-Regelungen eingeplanten Gelder sind nur zu 20 Prozent klimawirksam. Auch der Mindestschutz von Feuchtgebieten und Mooren in der Konditionalität weist offenkundige Schwächen auf. Die zeichnenden Verbände fordern daher, die immer noch gegebene Möglichkeit der Bodenbearbeitung auf Ackerland in Feuchtgebieten und Mooren bis 30 cm Tiefe auf höchstens 10 cm zu begrenzen. Zudem muss schnellstmöglich eine Honorierung zur deutlichen Reduktion von Nährstoffüberschüssen über dem gesetzlichem Mindeststandard geschaffen werden. Dies ist auch notwendig, um die Vorgaben der EU zur Reinhaltung von Luft- und Wasser (EU NEC-Richtlinie und EU-Wasserrahmen- und Nitratrichtlinie) zu erfüllen. Grundlage hierfür ist eine solide einzelbetriebliche Datengrundlage durch eine sachgerechte Novellierung der Stoffstrombilanzverordnung.

Überdies werden Maßnahmen, die zur Erhöhung der Klimaresilienz landwirtschaftlich genutzter Flächen beitragen, im GAP-Strategieplan unzureichend gewichtet. Beispielgebend hierfür sind die Öko-Regelungen „Anbau vielfältiger Kulturen“ und „Beibehaltung Agroforst“, von denen sich Bund und Bundesländer u.a. verbesserte Klimaanpassung versprechen, deren verstärkte Annahme in der Praxis jedoch schon aufgrund der viel zu geringen Förderhöhe als unwahrscheinlich zu betrachten ist.

Die zeichnenden Verbände verweisen darauf, dass es sich bei den geforderten Maßnahmen um eine notwendige sowie kurzfristige Behebung besonders offenkundiger Schwachstellen des Strategieplans handelt. Diese reichen bei weitem nicht aus, um alle notwendigen sozialen und ökologischen Ziele der GAP zu erreichen und den Transformationsprozess der Landwirtschaft politisch konsequent zu begleiten. Hierfür sind deutlich umfassendere Maßnahmen notwendig. Die zeichnenden Verbände der Plattform wiederholen daher ihre grundsätzliche Forderung, die pauschalen Flächenprämien sukzessive umzuwidmen und diese Gelder gezielt und nahezu ausschließlich zur Honorierung von Gemeinwohlleistungen der Landwirt:innen einzusetzen. Konzepte auf Grundlage von Punktebewertungssystemen sowie weiteren Fördermodellen sind unter Berücksichtigung vorliegender fachlicher und politischer Expertisen und Empfehlungen (z.B. WBAE, TI, KOM, UMK, AMK, ZKL) weiterzuverfolgen.

Bezüglich der Finanzierung der genannten kurzfristigen Maßnahmen schlagen die zeichnenden Verbände vor, in einem ersten Schritt die Anwendung der sogenannten „Österreich-Regelung“, welche das Budget der Öko-Regelungen unnötig von 25 auf 23 Prozent der Direktzahlungen begrenzt, zu streichen. Dadurch stünden in der 1. Säule zusätzliche Mittel in einem Umfang von jährlich rund 90 Mio. Euro für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz zur Verfügung. Weiterhin sind sowohl die Umschichtung in die 2. Säule als auch das Budget für die Öko-Regelungen im Laufe der Förderperiode zu erhöhen bzw. deutlicher zu erhöhen als bislang vorgesehen.

Hintergrund
Am 21. Februar 2021 reichte die Bundesrepublik Deutschland mit einigen Wochen Verzögerung ihren GAP-Strategieplan bei der EU-Kommission ein. Der genehmigte GAP-Strategieplan ist die Grundlage für die Umsetzung der Förderung im Rahmen der EU-Agrarpolitik in Deutschland von 2023 bis 2027. Der Erstellung des GAP-Strategieplans gingen mehrere Jahre Vorarbeit voraus, in welcher diverse Analysen erstellt, Workshops durchgeführt und Stellungnahmen eingereicht wurden. Aus Sicht vieler Wirtschafts- und Sozialpartner wurden wichtige Hinweise im Strategieplan-Prozess nicht, oder nur unzureichend aufgenommen. Zudem fehlte es an Transparenz. Der deutsche Strategieplan wird von der EU-Kommission nun einer kritischen Prüfung unterzogen. Bund und Bundesländer haben sowohl im Zuge des Genehmigungsprozesses, als auch im Anschluss die Möglichkeit, jährlich Verbesserungen am Strategieplan vorzunehmen, um bislang versäumte Weichenstellungen für den begonnenen Transformationsprozess in der Landwirtschaft nachzuholen.

Liste zeichnender Verbände:

  • Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V.
  • Benthlin-Stiftung für Nutztierschutz
  • Bioland e.V.
  • Biokreis e.V.
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND)
  • BUND Naturschutz in Bayern e.V.
  • Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW)
  • Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V. (BBN)
  • Bündnis Junge Landwirtschaft e.V. (BJL)
  • Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
  • Demeter e.V.
  • Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e.V.
  • Deutscher Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V.
  • Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
  • Deutscher Tierschutzbund e.V.
  • EuroNatur - Stiftung Europäisches Naturerbe
  • Germanwatch e.V.
  • Manfred-Hermsen-Stiftung für Natur und Umwelt
  • Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
  • Naturland – Verband für ökologischen Landbau e.V.
  • NaturFreunde Deutschlands
  • NEULAND e.V.
  • Schweisfurth Stiftung
  • Slow Food Deutschland e.V.
  • Verband Deutscher Naturparke e V. (VDN)
  • WWF Deutschland
  • Zukunftsstiftung Landwirtschaft