„Die Landwirtschaft in Ostdeutschland ist wettbewerbsfähig und ein stabilisierender Faktor in strukturschwachen Regionen. Die nach der Wiedervereinigung mit erheblichen Mitteln von Bund, Ländern und Europäischer Union geförderte Neuausrichtung der Agrarstrukturen hat dafür einen wesentlichen Beitrag geleistet.“ So steht es im kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit veröffentlichten Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2018, der dann jedoch fortfährt: „Anlass zur Sorge gibt die zunehmende Übernahme von wirtschaftlich gesunden Betrieben durch überregionale, teilweise branchenfremde Finanzinvestoren. Nachdem viele landwirtschaftliche Betriebe auch mithilfe erheblicher öffentlicher Transferleistungen saniert wurden, werden nun bei der Umwandlung regional verankerter landwirtschaftlicher Unternehmen in Filialbetriebs-Konzerne Arbeitsplätze und Wertschöpfung aus den Regionen abgezogen. Damit besteht die Gefahr, dass umfangreiche staatliche Mittel, die seit der Wiedervereinigung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eigenständiger landwirtschaftlicher Betriebe, und damit zur Stabilisierung ländlicher Regionen investiert wurden, das mit ihnen verfolgte Ziel verfehlen“. Mit Verweis auf eine aktuelle Studie des Thünen-Instituts stellt der Jahresbericht fest, „dass diese Entwicklung – mit regionalen Unterschieden – nahezu flächendeckend in Ostdeutschland stattfindet“ und im Ergebnis überregionale Investoren inzwischen in 34 Prozent der 853 untersuchten Betriebe die Kapitalmehrheit besitzen. „Diese bewirtschaften 25 Prozent der untersuchten landwirtschaftlichen Flächen. 72 Prozent der im Rahmen der Studie betrachteten verkauften landwirtschaftlichen Betriebe wurden von überregionalen Investoren übernommen. Ein erheblicher Teil davon ist landwirtschaftsfremd. Bei dieser Entwicklung liegen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg deutlich über dem Durchschnitt in Ostdeutschland“, so der Jahresbericht. Da die Käufe in der Regel als Anteilskauf (share deal) getätigt würden, könnten die Flächentransfers von den Behörden aufgrund einer Regulierungslücke nicht erfasst werden. Ein Beispiel dafür sei die Übernahme der Konkursmasse der Agrar-Holding KTG AGRAR SE im Umfang von etwa 20.000 ha durch einen Finanzinvestor aus Liechtenstein. „Die Länder haben mit dem derzeitigen landwirtschaftlichen Bodenrecht keine Möglichkeiten, agrarstrukturelle Ziele gegenüber Finanzinvestoren durchzusetzen“ bemängelt der Jahresbericht. Um diese Regulierungslücke im landwirtschaftlichen Bodenrecht zu schließen, hätten die Länder und der Bund 2015 Vorschläge vorgelegt. Erforderlich sei die Einbeziehung von Anteilskäufen, mit denen Investoren ganze Betriebe erwerben und den Vorrang von Landwirten umgehen können. Derartige Käufe sollten nicht generell untersagt, aber einer Einzelfallprüfung mit Eingriffsmöglichkeiten im Hinblick auf die Agrarstruktur unterworfen werden. Bei dem Verkauf von Einzelflächen sei dies seit Jahrzehnten gesetzlich geregelt. In den Ländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen würde an entsprechenden Gesetzesänderungen gearbeitet. „Neben den allgemeinen agrarstrukturellen Auswirkungen hat die Entwicklung auch Auswirkungen auf einzelne landwirtschaftliche Betriebe. Zusammen mit anderen Faktoren führt die Nachfrage von Investoren zu tendenziell steigenden Bodenpreisen. Die hohen Flächenkosten begrenzen in vielen Betrieben die Entwicklungsmöglichkeiten und belasten insbesondere Junglandwirte und Neueinrichter“, stellt der Bericht fest. Der Bodenmarkt war als Tagesordnungspunkt „Bund-Länder-Initiative ‚Landwirtschaftlicher Bodenmarkt‘“ auch Thema auf der Agrarministerkonferenz in Bad Sassendorf. Das Protokoll hält dazu kurz und mit wenig Hoffnung auf schnelles Handeln fest:
1. Die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder nehmen den mündlichen Bericht des BMEL zur Bund-Länder-Initiative „Landwirtschaftlicher Bodenmarkt“ zur Kenntnis und beschließen die Aufnahme der Arbeit auf Basis des vorgelegten Konzeptes.
2. Das Konzept sieht u.a. regelmäßige Bund-Länder-Besprechungen, Expertengespräche und Workshops vor. Ein erster Bericht über die Arbeitsergebnisse soll auf der Herbst-AMK 2019 vorgelegt werden. Darauf will der Deutsche Bauernbund (DBB) mit Sitz in Quedlingburg in Sachsen-Anhalt nicht warten. In einem Brief an den dortigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) weist der DBB auf die „außerordentlich kritischen“ Zustände auf dem Bodenmarkt der neuen Länder hin und fordert entsprechende Änderungen im Grundstückverkehrsrecht. Dem Schreiben beigefügt ist ein vom DBB erstellter Entwurf für ein Agrarstrukturentwicklungsgesetz, dessen Grundlage ein Entwurf bildet, „der durch die Landesregierung Sachsen-Anhalt in der letzten Legislaturperiode unter dankenswerter Federführung von Minister Dr. Hermann Onko Aeikens erarbeitet wurde“, so der Bauernbund. Der DBB-Entwurf „hat das Ziel, dass bei seiner Einführung erhebliche positive Aspekte auf die agrarsoziale Entwicklung der ländlichen Räume, auf Chancen- und Wettbewerbsgleichheit zwischen Betrieben gleicher und unterschiedlicher Rechtsformen entstehen und gesellschaftlich nicht zu verantwortende Machtballungen verhindert werden“, heißt es in dem Schreiben. „Bedingt durch politisch zu verantwortende Fehlentwicklungen der Landwirtschaft der neuen Länder nach dem Umstrukturierungsprozess aus dem ehemaligen sozialistischen Betriebsstrukturen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, wird das bestehende Grundstücksverkehrsrecht insbesondere deshalb unterlaufen, weil durch den Kauf von Anteilen (Share-Deals) aus den Betrieben in den juristischen Personen gesellschaftlich nicht zu vertretende Konzentrationen möglich werden, ohne das eine gesellschaftliche Kontrolle und Transparenz erfolgen kann“, so der DBB in dem von seinem Präsidenten Kurt-Henning Klamroth unterzeichneten Brief. .