Handelsketten dürfen mit „Initiative Tierwohl“ Verbraucher und Bauern nicht täuschen
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sieht in der gestern in Berlin vereinbarten „Initiative Tierwohl“ die Gefahr einer Täuschung von Verbrauchern und Bauern.
„Mit der Gründung der ‚Initiative Tierwohl’ zeigen die beteiligten Handelsketten und Unternehmen der Schlachtindustrie, dass sie in der gesellschaftlichen Diskussion über die Entwicklungen in der Tierhaltung erheblich unter Druck sind und mit in der Verantwortung stehen. Darin könnte eine Chance liegen, dass die bisherigen reflexartigen Abwehrhaltungen überwunden werden und der Ruf der Bevölkerung nach einer artgerechten Tierhaltung akzeptiert wird. Das würde den bäuerlichen Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive geben. Wenn sich allerdings bestätigt, dass etwa bei der Schweinehaltung der schon vom EU-Recht längst vorgegebene Verzicht auf das serienmäßige Schwanzkupieren und die Einstreu von Stroh oder anderem Wühlmaterial nicht zu den Basiskriterien dieser Initiative zählen wird, dann wird nicht nur diese Chance vertan, sondern die gesamte Branche noch weiter in die Defensive getrieben“, kommentiert Bernd Voß, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
Als fatal bewertet die AbL außerdem das Vorgehen von Handelsketten und Schlachtindustrie, den Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst jegliche Information darüber vorzuenthalten, aus welcher konkreten Tierhaltung das jeweilige Schnitzel oder der Schinken in der Fleischtheke tatsächlich stammen wird. „Die Beteiligten der Initiative haben beschlossen, dass es an der Theke keinerlei aussagekräftige Produktkennzeichnung geben soll. Handel und Schlachtindustrie scheuen beim Fleisch die Transparenz und damit die Wahlfreiheit der Kunden. ‚Nur keine Marktdifferenzierung’ scheint ihr Motto zu sein, als hätten sie Angst vor informierten Verbrauchern. Wenn dabei völlig unzureichende Tierschutzstandards als eine breit angelegte Tierwohl-Initiative verkauft werden sollen, wird das nichts anderes als Verbrauchertäuschung“, warnt der AbL-Vorsitzende.
Die AbL weist darauf hin, dass den Bauern versprochen wird, die Kosten für die Einhaltung von Kriterien aus einem Fonds bezahlt zu bekommen. Der Fonds soll von den Handelsketten gefüllt werden. „Die Bauern dürfen nicht auf ihren Kosten hängen bleiben. Deshalb ist die Frage, woher der Handel das Geld nehmen will, wenn nicht von den Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Warum aber sollen die Verbraucher für das Fleisch einen Tierschutz-Aufpreis zahlen, wenn sie nie erfahren, ob das Fleisch tatsächlich aus einer tiergerechten Haltung stammt. Es steht also zu befürchten, dass am Ende die Bauern sich selbst den Bonus zahlen, indem sie von den Schlachthöfen geringere Basis-Erzeugerpreise vorgesetzt bekommen“, so der AbL-Vorsitzende und Bauer aus Schleswig-Holstein.