Mercosur: Klima und Käse

Diesen Sommer unterzeichneten die EU-Kommission und die Länder Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay die politischen Eckpunkte des Mercosur-Freihandelsabkommens. Die konkreten Verträge werden im Detail noch ausgearbeitet, bevor das Abkommen in die europäische Abstimmung geht. Der EU-Rat, das EU-Parlament und alle EU-Mitgliedsstaaten müssen diesen Freihandelsvertrag ratifizieren. Auf siebzehn Seiten hat die EU-Kommission Knackpunkte festgehalten. Demnach muss Europa 99.000 Tonnen Rindfleisch jährlich importieren zu einem reduzierten Zollsatz von 7,5 Prozent. Diese Importquote entspricht 1,2 Prozent der gesamten EU-Rindfleischproduktion. Das klingt zunächst wenig und wird von interessengeleiteten Politikern auch entsprechend heruntergespielt. Aber der EU-Rindfleischmarkt ist mit einem Selbstversorgungsgrad von 102 Prozent mehr als gesättigt. In einem gesättigten Markt können zusätzliche Mengen einen Preisdruck auslösen. „Die Rindfleischpreise sind zurzeit sehr niedrig“, sagt Sven Nicolaisen, Viehhändler aus Schleswig-Holstein. Trotzdem verhandelt die EU ein Freihandelsabkommen nach dem anderen und öffnet Stück für Stück den Rindfleischmarkt, der noch stark vom Weltmarkt geschützt ist. Mit CETA (EU-Kanada) hat die EU bereits 45.000 Tonnen Rindfleischimporte zugesagt. Die laufenden Verhandlungen mit Neuseeland/Australien würden – bei Abschluss – weitere Rindfleischimporte bringen. Die USA üben Druck auf die EU aus, ihre landwirtschaftlichen Märkte für US-Rindfleisch weiter zu öffnen. Neuerdings kritisiert auch der Deutsche Bauernverband Mercosur wegen der geplanten Rindfleischimporte. Er lässt aber eine solidarische Kritik hinsichtlich negativer Exportwirkungen der europäischen Handels- und Agrarpolitik auf Bauernhöfe in anderen Ländern dieser Welt weiterhin vermissen – etwa mit den brasilianischen Milchbäuerinnen und -bauern der Organisation Leite Brasil. Diese kritisieren an Mercosur, dass das Abkommen mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren eine gegenseitige Öffnung des Milchmarkts für zollfreie 30.000 Tonnen Käse, 10.000 Tonnen Milchpulver und 5.000 Tonnen Babynahrung vorsieht. Leite Brasil weist in einer Meldung von AGRA-Europe darauf hin, dass der brasilianische Milchmarkt bereits in einer Krise stecke und die Produktionskosten dort höher seien als in der EU. Brasilien hat in den vergangenen 14 Jahren seine Rindfleischexporte um 700 Prozent erhöht. Das Wachstum der Rinderherden führt zu Landkonflikten. Im Jahr 2017 wurden 70 Menschen ermordet, Kleinbäuerinnen und -bauern und Indigene, weil sie sich gegen das Vordringen der Agrarindustrie gewehrt haben. „Handelsabkommen wie Mercosur widersprechen den anerkannten internationalen Bauernrechten der Vereinten Nationen, deren Erklärung Ende 2018 mit großer Mehrheit von der UN-Generalversammlung angenommen wurde. Wir fordern, dass die Bundesregierung sich wirklich für Menschenrechte einsetzt, statt für so ein katastrophales Handelsabkommen wie Mercosur“ , gibt Paula Gioia, AbL-Vertreterin in der Europäischen Koordination von Via Campesina, zu bedenken. Auch führen die steigenden Rindfleischexporte zu einer massiven Abholzung. Nach Zahlen des Nationalen Forschungsinstituts (INPE) hat sich akut die Abholzungsrate von Wald in Brasilien gegenüber 2018 um 15 Prozent erhöht. Freihandelsbefürworter verweisen darauf, dass die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens in den Mercosur-Vertrag aufgenommen wurde. Wie glaubhaft das ist, bleibt abzuwarten. „Das Pariser Klimaschutzabkommen enthält keine Klausel, die beschreibt, was passiert, wenn ein Mitglied sich nicht an die Vorgaben des Abkommens hält“, sagt Jürgen Knirsch von Greenpeace. Während Deutschland Mercosur begrüßt, sind kritische Regierungsstimmen in Frankreich, Polen, Irland und Belgien zu hören. Martin Schulz, Bundesvorsitzender der AbL und konventioneller Neuland-Schweinehalter, sagt: „Wir wollen Handel, aber die Bedingungen müssen stimmen. Die AbL lehnt unqualifizierte Freihandelsabkommen wie Mercosur klar ab. Welthandel muss wirksam sozial und ökologisch qualifiziert sein. In der europäischen Agrarpolitik ist die Exportoffensive durch eine Qualitätsstrategie abzulösen.“
09.09.2019
Von: Berit Thomsen, AbL-Handelsreferentin

Mehr Rindfleisch für die EU (Foto:Dott)