2002 hat die Züchterin Grietje Raaphorst-Travaille zusammen mit ihrem Mann die niederländische Saatgutfirma Nordic Maize breeding (NMb) geründet. Sie haben einen kältetoleranten Bio-Mais entwickelt, jetzt sehen sie sich durch ein KWS-Patent bedroht.
Grietje Raaphorst-Travaille: Als wir unsere Saatgutfirma im Norden der Niederlande gründeten, stellten wir fest, dass Mais dort im November und Dezember geerntet wurde. Das ist für den Boden katastrophal, da er zu dieser Zeit viel zu nass für die Ernte ist. Deshalb war das Hauptziel unseres regionalen Züchtungsprogramms Maissorten zu entwickeln, die frühzeitig geerntet werden können. Zu diesem Zweck sammelten wir genetische Ressourcen von verschiedenen Standorten und gingen Kooperationen mit anderen Züchtern ein. Das Saatgut stammt auch von Saatgutbanken und -börsen. Durch die Beschleunigung unserer Selektionen konnten wir 2008 in nur 6 bis 7 Jahren unsere erste kältetolerante Maissorte für den ökologischen Landbau züchten. Wir brauchen keine gentechnischen Veränderungen, wir brauchen einfach mehr gute Züchter, die bestimmte Eigenschaften schnell entwickeln.
No Patents on Seeds, eine europäische Koalition, die sich gegen Patente auf Saatgut wehrt, haben die Patente bei ihren Recherchen gefunden. Sie kontaktierten mich im Oktober 2022 und berichteten, dass das deutsche Unternehmen KWS unter anderem ein Patent auf einen genetischen Locus bei Mais hält, der laut KWS für die Kältetoleranz verantwortlich ist. KWS behauptet, an ihren Inzuchtlinien gearbeitet zu haben, von denen 86 % dieses „Kältetoleranz-Gen“ enthalten sollen.
Nein, die Winterhärte ist nicht auf die Ausprägung eines einzelnen Gens zurückzuführen. Es ist viel komplexer: Es ist die Kombination von mehreren Elementen, die einen Mais kältetolerant machen. Ich finde es sehr merkwürdig, dass ein einzelnes Merkmal einer Maispflanze patentiert werden kann.
Mein Ziel ist es natürlich, den Mais auf dem Markt zu lassen. Ich weiß nicht, was wir tun werden, wenn wir einen Brief von KWS bekommen. Wir wissen nicht, ob wir vor Gericht gehen werden.
Nein, bisher hatten wir noch keine Patentprobleme. Aber mit der vorgeschlagenen Deregulierung der neuen Gentechniken wird es noch viel mehr Patente geben. Hinzukommt, dass wir in Zukunft unser Saatgut nicht testen können, ob es frei von neuen Gentechniken (NGT) ist. Bisher testen wir Saatgut, um festzustellen, ob es alte Gentechnik enthält. Das ist eine Anforderung des Biosektors, zumindest in Deutschland. Die Analysen müssen mit dem Saatgut verschickt werden. Bei den neuen Gentechniken soll ein Testen laut Gesetzesvorschlag der EU-Kommission nicht mehr möglich sein, weil die Inverkehrbringer nicht mehr verpflichtet werden sollen, Nachweisverfahren für ihre NGT-Pflanzen zu entwickeln. Wir werden also ein doppeltes Problem haben, wir werden nicht mehr wissen, ob das Saatgut frei von neuen Gentechniken ist und auch nicht, ob es frei von Patentrechten ist. Das bedeutet für die Züchter und Landwirte ein enormes Risiko.
Ja, natürlich. Wir verwenden manchmal die Maschinen von Lohnunternehmern, um unser Saatgut auszusäen. Wir bitten die Benutzer dieser Maschinen regelmäßig, zu garantieren, dass sie gereinigt worden sind. Aber zur Zeit der Aussaat sind die Lohnunternehmer und Landwirte so beschäftigt, dass sie sich oft nicht die Zeit nehmen können, die Maschinen zu reinigen. Jedes Mal, wenn ich eine Maschine eines Lohnunternehmers benutze, kann ich leicht eine Handvoll gebeizter Saatkörner finden. Sie sind rot, also leicht zu erkennen. Dasselbe wird mit NGT-Saatgut passieren.
Das größte Risiko liegt jedoch nicht auf dem Feld, auf dem ich arbeite, denn natürlich kontrolliere ich unsere Saatgutproduktion. Das viel höhere und unkontrollierbare Risiko liegt bei den Landwirten, die mein Saatgut kaufen, und es durch Lohnunternehmer säen lassen, die ihre Maschinen nicht gründlich gereinigt haben. Dann mischen sich meine Sorten mit dem Saatgut, was in der Drillmaschine übrig ist.
Die Strategie von Bayer und anderen großen Saatgutunternehmen besteht darin, die NTGs zu deregulieren und kostenlose Lizenzen anzubieten. Aber auch mit kostenlosen Lizenzen begebe ich mich in eine Situation der Abhängigkeit. Man ist durch vertragliche Verpflichtungen gebunden und das ist weder akzeptabel noch wünschenswert. In einer Situation der Abhängigkeit hätten wir als Maiszüchter niemals einen so frühen Mais entwickelt wie den, den wir entwickelt haben. Echte Innovation erfordert Kreativität, und Kreativität kann nur in Freiheit entstehen. Denn wir sind immer noch die Einzigen, die einen Mais entwickeln konnten, der in 18 Wochen reif ist. Wir sind dabei, unsere Unabhängigkeit in der Nahrungsmittelproduktion in den Niederlanden zu verlieren, was sehr schlecht ist. Die Patentierung muss jetzt gestoppt werden, denn es wurden bereits Tausende von Patenten für NGTs angemeldet. Das ist ein Riesenproblem für die Züchtung.
Das vollständige Interview von Denis Meshaka (Inf'OGM) findet sich auf https://infogm.org/en/a-dutch-seed-company-faces-up-to-kws-patents/. Übersetzung, Kürzung und Ergänzung: Annemarie Volling, AbL e.V.