Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern den Stopp des geplanten EU-Mercosur-Abkommens und eine Kehrtwende in der EU-Handelspolitik

Anlässlich der in Brüssel im Rahmen des Rates für Auswärtige Angelegenheit tagenden EU-Handelsminister*innen, auf deren Tagesordnung auch das EU-Mercosur-Abkommen stand, hat ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und Initiativen aus den Bereichen Umweltschutz, Landwirtschaft, Menschenrechte, Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe vor dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) protestiert und in einem gemeinsamen Aufruf die Bundesregierung aufgefordert, das geplante Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zu stoppen. Die Bundesregierung unterstützt die Bestrebungen der EU-Kommission, das umstrittene Abkommen durch ein Zusatzabkommen zu retten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erklärte nach dem Treffen in Brüssel, dass das Abkommen nicht noch einmal geöffnet werde. Die Protestaktion des Bündnisses vor dem BMWi war Teil der vom 17.05. bis 22.05. stattgefundenen EU-weiten Aktionswoche “Stopp EU-Mercosur!”. Das Abkommen steht seit langem in der Kritik - auf beiden Seiten des Atlantiks. Weit über 400 Organisationen aus den Mercosur-Staaten und der EU, darunter knapp 50 Organisationen aus Deutschland, lehnen das Abkommen ab. Repräsentative Umfragen zeigen, dass auch drei von vier Bürger*innen in Deutschland und in der EU den Abschluss nicht befürworten. Als einen Grund nennt das Bündnis: Mit Hilfe des EU-Mercosur-Abkommens soll der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten gesteigert werden. Massenhaft produziertes Billigfleisch ohne Rücksicht auf Tierwohl und lokale landwirtschaftliche Strukturen wären die Folge. "Viele Bäuerinnen und Bauern lehnen das EU-Mercosur Abkommen ab. Wir Landwirt*innen wollen und können Tierwohl und Klimaschutz. Aber die mit dem Abkommen verbundenen steigenden billigen Fleischimporte ohne Bindung an Standards konterkarieren unsere wirtschaftliche Grundlage und den notwendigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland. Deshalb fordern wir eine Handelspolitik, die soziale und ökologische Kriterien im Import wie auch im Export anerkennt. Das Bundesverfassungsgericht mahnt in seinem aktuellen Beschluss zum Klimagesetz den Schutz unserer Lebensgrundlage an und deshalb müssen wir einen Handel, der mit der Regenwaldabholzung unsere Lebensgrundlage zerstört, stoppen", sagt Sandra Finke-Neuendorf, Hof Micha Neuendorf im Norden Berlins, Landwirtschaft mit Ackerbau und Tierhaltung. Die mit dem EU-Mercosur-Abkommen anvisierte Steigerung der Importe von Fleisch, Soja und Ethanol in die EU treibt nach Ansicht des Bündnisses zudem die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes weiter voran. Ihre Erzeugung auszuweiten, erhöhe unmittelbar das Ausmaß von Bränden und Abholzungen. Dazu sagt Camila de Abreu, Referentin für Politikdialog Brasilien-Deutschland beim Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL): "Die EU spricht damit ihrem eigenen Fahrplan hin zu Klimaneutralität Hohn. Und das alles, um den europäischen Herstellern von Autos und Pestiziden bessere Absatzmärkte zu verschaffen. Um all dem vorzubeugen, braucht es dringend die klare Beteiligung der Zivilgesellschaft beiderseits des Atlantiks an den Verhandlungstischen, um solch zerstörerische Handelsabkommen bereits im Ansatz zu verhindern." Ein weiterer Kritikpunkt der Organisationen besteht in der desaströsen Menschenrechtslage in Brasilien. Hinter vielen der Menschenrechtsverletzungen steht der brasilianische Präsident Bolsonaro. Hanni Gramann, Handelsexpertin von Attac Deutschland: “Mit dem EU-Mercosur-Abkommen würde die EU die Regierung Bolsonaro für ihre klimaschädigende und menschenrechtsverachtende Politik belohnen. Die mit dem Abkommen beabsichtigte Steigerung brasilianischer Agrarexporte in die EU wird Landkonflikte und Vertreibungen im Mercosur weiter befeuern. Auch mit Zusatzabkommen lässt sich das Abkommen nicht retten. Wenn die EU tatsächlich eine werteorientierte Handelspolitik verfolgen will, muss das Abkommen von Grund auf neu verhandelt werden.” Das sieht Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ganz anders. Das eigentliche Mercosur-Abkommen soll nicht erneut geöffnet werden, erklärte er nach dem Treffen in Brüssel. Er setzt auf die Zusatzvereinbarungen. „Insgesamt ist es so, dass die Neuverhandlung des Abkommens nicht auf der Tagesordnung steht, sondern die Kombination zwischen den notwendigen Ergänzungsmaßnahmen und dem Festhalten an dem, was wir im Interesse der EU erreicht haben“, so Altmaier. Nach seiner Einschätzung wird dieser Prozess noch einige Monate in Anspruch nehmen. Die Protestaktion vor dem BMWi wurde durchgeführt von folgenden Organisationen: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V., Attac, Bloque Latinoamericano, Brot für die Welt, BUND, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) e.V., Forum Umwelt und Entwicklung, Greenpeace, Misereor, NaturFreunde Deutschlands e.V., Netzwerk Gerechter Welthandel, Parents for Future Berlin, PowerShift e.V.
22.05.2021
Von: FebL/PM

Vor dem Bundeswirtschaftsministerium hat ein breites Bündnis gegen das Mercosur-Abkommen protestiert, darunter auch die AbL. Fotos: NaturFreunde Berlin/Uwe Hiksch