EU-Mercosur-Abkommen braucht Neustart

Das EU-Mercosur-Abkommen steht vor dem Ratifizierungsprozess, allerdings ist der Zeitplan derzeit unklar, ebenso der Stand der Rechtsförmigkeitsprüfung des Vertragstextes in der EU. Es hagelt Kritik von verschiedenen Seiten, etwa von der europäischen Ombudsfrau Emily O’Reilly: „Die EU hätte vor einem Abschluss belegen müssen, dass sie die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt und andere Fragen vollständig berücksichtigt hat.“ Solch eine Folgeabschätzung wurde bisher bei allen EU-Handelsabkommen rechtzeitig vor einer politischen Einigung und dem Ratifizierungsprozess vorgelegt – nur beim EU-Mercosur-Abkommen liegt keine finale Version vor. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft demonstrierte vier Tage vor dem Weltklimastreiktag mit einem breiten Bündnis von Nichtregierungsorganisationen vor der brasilianischen Botschaft in Berlin gegen das geplante Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten. Mit Sojaschrotsäcken, Trecker und Bannern wurden die Folgen der Futtermittelimporte in den Anbauländern und in Europa für Menschen und Umwelt verdeutlicht. AbL-Bundesgeschäftsführer Georg Janßen: „Das Abkommen setzt Bäuerinnen und Bauern sowohl in der EU als auch im Mercosur einem steigenden Preisdruck aus. Es läuft den gesellschaftlichen und bäuerlichen Interessen diametral entgegen. Die Bundesregierung muss deshalb bei den anstehenden Entscheidungen um die EU-Agrarreform einen ehrlichen Systemwechsel vornehmen. Sie muss sich von der Billigexportstrategie verabschieden.“ Am selben Tag wurde eine transatlantische Erklärung veröffentlicht. Darin fordern weit über 400 Organisationen aus den Mercosur-Staaten und der EU, darunter knapp 50 Organisationen aus Deutschland, das Abkommen zu stoppen. Auch die Bevölkerung lehnt das Abkommen mehrheitlich ab: Drei von vier BürgerInnen in Deutschland sowie in der EU sprechen sich für seinen Stopp aus. Frankreich knüpft seine Zusage zum EU-Mercosur-Abkommen an gravierende Nachbesserungen im Nachhaltigkeitskapitel, damit u. a. Umweltstandards auch sicher eingehalten werden. Die Niederlande unterstützen die Forderung; ob die jüngsten Neuwahlen daran etwas ändern, bleibt noch abzuwarten. Zwar sei das Nachhaltigkeitskapitel rechtsverbindlich, würden aber negative Umweltwirkungen durch das Abkommen offensichtlich, dann gebe es eben keine Sanktionsmöglichkeit, sagte Sophia Paulini, Wissenschaftlerin der Erasmus-Universität Rotterdam, bei der Anhörung des EU-Parlaments zum EU-Mercosur-Abkommen Ende Februar. Sie forderte, dass es Zollpräferenzen nur dann geben solle, wenn die Produkte nachhaltig erzeugt seien. Und die höheren Kosten von Nachhaltigkeitsinitiativen sollten sich in der Wertschöpfungskette widerspiegeln. Der europäische Gewerkschaftsvertreter Per Hilmersson wurde mit der Frage konfrontiert: „35 Millionen Arbeitsplätze in der EU gehören dem exportierenden Sektor an, braucht es nicht weitere Handelsabkommen?“ Er sagte: „Das EU-Mercosur-Abkommen birgt auch Nachteile für die heimische Industrie. Außerdem darf es nicht nur um mehr Arbeitsplätze gehen, es muss auch um bessere Arbeitsbedingungen gehen.“
12.04.2021
Von: Berit Thomsen, AbL-Referentin für Handelspolitik

Vielstimmiger Mercosur-Protest vor der brasilianischen Botschaft Foto: Hiksch/Naturfreunde