Zum Gentechnik-Gesetzesentwurf: Keine Einigung der EU-Regierungen – nur knappe Abstimmung im EU-Parlament

Widerstand lohnt sich – Deregulierung neuer Gentechnik-Pflanzen verhindern

Zur gestrigen Abstimmung über den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung neuer Gentechnik-Pflanzen im Europäischen Parlament und im EU-Ministerrat kommentiert Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL:

Die AbL begrüßt, dass sich die EU-Regierungen nicht dem Druck der EU-Kommission und der Gentechnik-Industrie gebeugt haben und sich erneut nicht auf eine Verhandlungsposition zum Gesetzesvorschlag einigen konnten. Das zeigt, dass die Änderungsvorschläge offensichtlich unzureichend sind. Anders das EU-Parlament, dass sich gestern auf ein Verhandlungsmandat zum Gesetzesvorschlag geeinigt hat – allerdings mit nur sehr knapper Mehrheit. Ein Lichtblick ist, dass das Parlament sich für eine Kennzeichnungspflicht aller neuer Gentechniken bis zum Endprodukt ausgesprochen hat, jedoch mit einer nicht nachvollziehbaren Beschreibung, statt klar zu deklarieren, was es ist: Neue Gentechnik. Positiv ist auch, dass für eine Schutzklausel gestimmt wurde bzw. die Möglichkeit, die Einstufung als „NGT 1-Pflanze“ zu widerrufen, wenn sich unerwartete Risiken für Mensch und Umwelt zeigen. Dies ist aus Sicht der AbL allerdings keineswegs ausreichend, um das Recht auf gentechnikfreie konventionelle und ökologische Lebensmittelerzeugung und Wahlfreiheit für uns alle zu sichern. Wir fordern Risikoprüfung und Zulassungsverfahren für alle Gentechnik-Pflanzen, verpflichtende Nachweisverfahren von den Inverkehrbringern, obligatorische Kennzeichnung, wirksame verpflichtende Koexistenz- und Haftungsregelungen, Monitoring und Rückholbarkeit, und rechtssichere Verbote von Patenten auf Pflanzen und Tiere.“

Volling weiter:

„Die vorausgegangene Debatte im Parlament zeigte, dass eine Diskussion über die Deregulierung der neuen Gentechnik dringend notwendig ist. Vielen Parlamentariern sind die Reichweite und die Folgen des Deregulierungsvorschlags der EU-Kommission für die landwirtschaftliche Praxis offensichtlich nicht klar. Deswegen gab es am Dienstag eine Demonstration vor dem EU-Parlament in Straßburg, bei der AbL-Bäuerin Barbara Endrass die von ihr gestartete Petition an Mitglieder des Parlaments übergab. Aus Sicht der AbL braucht es eine breite Debatte in der Öffentlichkeit statt einen Durchmarsch der Gentechnik-Industrie – schließlich geht es um die Zukunft unseres Saatguts, unserer Lebensmittelerzeugung und unseres Essens.“

Hintergrund:

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung der neuen Gentechniken ist aus Sicht der AbL abzulehnen. Eine gentechnikfreie konventionelle und ökologische Lebensmittelerzeugung wäre dann nicht mehr möglich – die Wahlfreiheit wäre passé. Wenn für 94 Prozent der neuen Gentechnik-Pflan­zen jegliche Regulierung abgeschafft werden sollen, dann ist das ein Durchdrücken von Industriein­teressen – zumal keine Haftungsregelungen vorgesehen sind. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zeigt in einem aktuellen Papier auf, dass die geplante Deregulierung neuer Gentechnik-Pflanzen das Vorsorgeprinzip konterkariert und fordert stattdessen eine wissenschaftlich fundierte Regulierung.

Nächste Schritte:

Aktuell ist unklar, wie es mit dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission weiter geht. Dazu bräuchte es eine Verhandlungsposition des Rates, die gibt es aus berechtigten Gründen bisher nicht. Klar ist, dass die Diskussion um die neuen Gentechniken und die Zukunft unserer Ernährung in den anstehenden Europawahlen Thema wird.

Links:

Petitionsübergabe an das Europäische Parlament_hier.

23 Verbände 23 Verbände fordern: Recht auf Wahlfreiheit und gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung sichern_hier.

BfN (Bundesamt für Naturschutz): New policy brief: For a science-based regulation of plants from new genomic techniques_hier.

 

 

08.02.2024